Dem Arschloch geht es gut

■ Walter Moers'„Arschloch in Öl“-Kunst im KITO

Im Sternensystem des Erdapfels ist die bildende Kunst konfus und unübersichtlich. Verschiedenste Geschöpfe schwirren durch die Bilder und Plastiken: Feldherren, Barmädchen, Neandertaler, Schmetterlinge und Regenwürmer nämlich. In einem Parallel-Universum hingegen, das entstanden ist durch das Vorbeisegeln des Erdapfelsternensystems an einer speckglänzenden also spiegelnden Arschbacke exakt im Moment eines kleinen Seitenurknalls, in diesem Parallel-Universum namens After One also, da huldigt die ganze paralleluniversitäre Kulturwelt einem einzigen Wesen. Es ist das Arschloch, auch genannt das kleine Arschloch, von Astrophysikern auch als Schwarzes Loch fehlinterpretiert. Schon 64 Millionen Jahre vor dem definitiven Weltende prägte es sich als „Arschsaurier“ins Gestein von After One ein; willens, aber nicht fähig zum Fliegen. Deshalb umspielt ein tragisches Grinsen die Züge des kleinen Kerls.

In den 64 Millionen Jahren seiner Existenz mußte er noch viele Erschütterungen über sich ergehen lassen, aber auch so manche Erfreulichkeit. Zum Beispiel Ciccolina. Sie war italienische Parlamentarierin, Edelprostituierte und Ehefrau just jenes Jeff Koons, der das sexuelle Glück zwischen Arschloch und Ciccolina in prä-pubertären, post-popartigem Stil festhielt. Kein expressionistischer Gestus ist hier zu finden, der auf Eifersucht hindeuten würde. Jeff Koons muß ein großer Mann gewesen sein. Oder ein Spanner.

Vor diesem Happy End aber erlebte das Arschloch düstere Zeiten. In der Renaissance verfiel es der allgemeinen Gläubigkeit. Das ist, wenn man stets liebenswürdig dreinschaut, selbst dann, wenn man gelyncht wird oder ranzige Wurst essen muß. Alfred Dürer fand eine tierisch gute Metapher für diese Art der Verzweiflung. Er zeigte das Arschloch als „Betenden Hasen“. Später aber lernte das kleine Arschloch und ließ sich nicht mehr so leicht lynchen. Ein Holzschnitt zeigt es als „Falschen Märtyrer“. Subtil spielt hier der Künstler mit der Aussagekraft der Requisiten. Das Arschloch ist nicht durchbohrt von gemeinen Pfeilen. Stattdessen kleben viele kleine Indianerspiel-Gummipfeile an seinem unbefleckten, lachgebeutelten Körper. Dem kleinen Arschloch geht es gut.

Nicht anders verhält es sich in einem Bild von Matisse. Einstein lag am Boden und das kleine Arschloch sprang quantig darüber, ganz ausgelassen, hin und her und hin. Am Ende war es zu viert. Matisse zeigt, wie das Arschloch-Quartett einen Ringelreigen tanzt vor lauter Freude über die neuen Freunde. In dieser Darstellung ist das Arschloch allerdings rot angelaufen wegen des Schwindels beim Tanzen und dem ganzen Schwindeln überhaupt auf After One. Es mußte dann erst einmal richtig auskotzen, um wieder ins Lot zu kommen. Rodin zeigt dies in seiner berühmten Arbeit „Der Würger von Calais“. Minuziös ist das Elend ausgearbeitet bis in den letzten kleinen Kotzbrocken in der hinteren linken Ecke hinein. Diese unerbittliche Darstellung der Kreatürlichkeit alles Arschlöchigen wurde nie wieder erreicht, es sei denn durch einen gewissen Walter Moers. Von dem aber ist keine Abbildung des kleinen Arschloches überliefert. Der, so heißt es in den kulturphilosophischen Traktaten auf After One, malte immer nur sich selbst.

Da wir zur Zeit gerade eben in der Unendlichkeit angelangt sind, kam es vor wenigen Tagen zu jener bei allen Mathematikschülern legendären Überschneidung aller Parallelen, also auch der Parallelwelten Erdapfel und After One. Durch komplizierte integrale Schnittmengenbildungen von ,Kartoffelsack' und ,alter Sack von einem Arschloch' ist die berühmte Kunstsammlung von After One just in Vegesack gelandet. Die Erdapfelbewohner interpretierten die fremde Kunst zunächst als Verarschung. Ethymologisch eine naheliegende Annahme. Erst viel später ließen sie sich von der fremden Galaxie inspirieren und beschlossen auch nur einem Wesen zu huldigen. Weil sie aber darüber in Streit gerieten, ob es das Barmädchen oder den Regenwurm treffen sollte, führten sie Krieg und starben aus. bk