Die Bremer Kinotaz ... ... alle Filme, alle Termine

A

A King in New York Großbritannien 1957, R: Charles Chaplin, D: Charles Chaplin, Dawn Adams / Originalfassung ohne Untertitel

„Chaplins sehr persöhnliche Abrechnung mit den USA geriet ihm zu einem unausgeglichenen Film, der zunächst weder bei der Kritik noch beim Publikum übermäßige Begeisterung auslöste. Im ersten Teil nimmt Chaplin auf kabarettistische Weise das Werbefernsehen, Hollywood und Auswüchse des „American way of life“aufs Korn. Dabei gibt es „Slapstick“-Nummern, die direkt an die Tradition seiner Stummfilme anknüpfen, die aber nicht mehr deren Präzision und Einfallsreichtum haben. Doch dann ändert der Film plötzlich seinen Charakter, man spürt ein zorniges humanitäres Engagement, das den von Chaplin verkörperten Operettenkönig zum Charakter und die Komödie zur Tragödie wandelt. Wo man sich eingangs über zwei gesetzte Herren amüsierte, die durchs Schlüsselloch eine junge Dame beim Baden beobachten, wird man entlassen mit dem Bild eines verängstigten Kindes, das der kollektive Wahn einer verunsicherten Gesellschaft zerbrochen hat.“(Reclams Filmführer) Kino 46

Alle Sagen: I Love You USA 1996, R: Woody Allen, D: Woody Allen, Dew Barrymore, Julia Roberts, Tim Roth

Es läßt schon Schlimmes vermuten, wenn Woody Allen im Presseheft schreibt, er wollte „amüsantes, unterhaltsames Konfekt“machen. Dies sei ein „grob gezeichneter Film, fast wie ein Cartoon, mit komischen Charakteren, die größer als im Leben sind“. Allen entpuppt sich hier als schlimmer Snob, und seine hochgerühmten geographischen Aufbrüche aus dem heimatlichen Manhattan nach Paris und Venedig können kaum als wirkliche Neuanfänge gelten. Allen modelliert beide Städte in Versionen seines eigenen Terrains um, die fast ausschließlich von reichen New Yorkern bewohnt werden. Der oberflächlich europhile Allen war nie so nah zu dem berühmten Cartoon von Saul Steinberg, in dem die Welt nur die rudimentären Ränder von Manhattan bildet.Die Shownummern und ihre angestrengte Heiterkeit erinnern verdächtig an die Werke von Dennis Potter wie „The Singing Detective“oder „Pennies from Heaven“. Wenn man diese abgekupferten Musical-Elemente und das Inseldenken des New Yorker Stadtneurotikers aus dem Film herausnimmt, bleibt nur eine von jenen leichtgewichtigen moralischen Komödien übrig, die die französischen Routiniers für die Hälfte des Geldes und mit viel weniger Brimborium zustandebringen.“(Sight and Sound) Gondel, UT-Kino, Wall- & Ziegelhofkinos (Ol)

Antonias Welt Niederlande/Belgien/Großbritannien 1995, R: Marleen Gorris, D: Willecke van Ammelrooy, Els Dottermans

„Wirklich eine ungewöhnliche Familiensaga, die die holländische Regisseurin Marleen Gorris in ihrem jüngsten Film entworfen hat. Voller Witz und trotz aller Melancholie voller Optimismus steckt ihre generationsübergreifende, manchmal märchenhaft wirkende Chronik: Menschen kommen und gehen, Leben entsteht und vergeht. Das alles erzählt Gorris mit einer unglaublichen Leichtigkeit, die mitten ins Herz trifft.“(Bremer) Cinema

Aristocats USA 1970, R: Wolfgang Reitherman

„Warm, einnehmend und schön anzusehen, ist dies der am wenigsten schaurige und am meisten unterbewertetste von allen guten Zeichentrickfilmen aus dem Hause Disney. Visuell kann sich der Film sogar an Disneys Meisterwerken messen. Die Kulissen des Paris der Jahrhunderwende sind wunderschön und die Hauptfiguren wurden brilliant animiert, in einer Kreuzung der traditionellen Disney- Maltechniken mit Art Nouveau Postern. (Chris Tookey) UFA-Palast (20.9.)

Aus dem Dschungel in den Dschungel USA 1997, R: John Pasquin, D: Tim Allen, Sam Huntington, Martin Short

„Wie „Das Bankentrio“, „Noch drei Männer, noch ein Baby“und „Daddy Cool“basiert auch dieser Film auf einer französischen Erfolgskomödie. Vorlage ist Herve Paluds „Little Indian“, der mit über sieben Millionen Zuschauern der erfolgreichste Film des Jahres 1994 war. Ein Börsenmakler reist in den venezuelanischen Regenwald, um seine Ex-Frau zur Unterzeichnung der Scheidungspapiere zu veranlassen. Im Busch angekommen, macht er die bestürzende Entdeckung, daß er Vater eines 13jährigen Sohnes ist, der alsbald seinen Erzeuger nach New York begleitet. Dort entwickelt sich das übliche Kultur-Crash-Chaos. Ein netter, harmloser Familienspaß, der sich nur durch sein US-Kolorit vom Original unterscheidet.“(Cinema) UFA-Stern, UT-Kinocenter

B

Bandits Deutschland 1997, R: Katja von Garnier, D: Nicolette Krebitz, Katja Riemann, Jasmin Tabatabai

„Die Regisseurin des Films, Katja von Garnier, 30, ist ein Hot Spot. Ihren ersten Film „Abgeschminkt“, den sie als eine Art Übung während ihres Studiums an der Münchener Filmhochschule drehte, sahen 1,3 Millionen Kinogänger. Da ist es schwer, sich mit dem zweiten Streich selbst zu übertreffen. „Bandits“ist die Geschichte einer Frauen-Knast-Band auf der Flucht – schneller, bunter, weiblicher als übliche deutsche Kinokost.“(Der Spiegel) City, Wall- & Ziegelhofkinos (Ol)

Bean Großbritannien 1997, R: Mel Smith, D: Rowan Atkinson, Burt Reynolds

„Nicht von ungefähr findet sich die Warnung, man habe es mit dem „ultimativen Katastrophenfilm“zu tun, im Untertitel des ersten Filmabenteuers des im Fernsehen und Video längst zum Kulthelden avancierten Mr. Bean: Da, wo das von Rowan Atkinson gewohnt kongenial dargestellte Strichmännchen bei seinem Besuch der Vereingten Staaten hintritt, wird die Neue Welt in ihren Grundfesten erschüttert – zum Gaudium des komödienhungrigen Publikums, das von „Bean“ganz nach seinen Bedürfnissen bedient wird. Atkinson und sein Regisseur Mel Smith taten gut daran, den unverkennbaren, clever zwischen Stummfilmheroen wie Langdon und Keaton sowie modernen Leinwandkasperln wie Lewis und Carrey angelegten Tunichtgut weitgehend unangetastet zu lassen: Immer noch hinterläßt der Kindskopf mit dem Gemüt eines Simplicissimus eine Spur der Zerstörung, ohne sich des Umfangs seiner Handlungen bewußt zu sein. Der Schritt auf die große Leinwand ist ein Unternehmen, bei dem nichts schiefgehen kann.“(Blickpunkt: Film) UFA-Palast, UT-Kinocenter, Solitaire (Westerstede), Wall- & Ziegelhofkinos (Ol), Muwi (Ol)

Beruf: Reporter Italien/Frankreich/Spanien 1973, R: Michelangelo Antonioni, D: Jack Nicholson, Maria Schneider

„Irgendwo in Nordafrika irrt ein englischer Fernsehreporter durch die Wüste, auf der Suche nach einem Guerilla-Camp. Von Beginn an schafft Antonioni ein bedrückendes Klima totaler existenzieller Entfremdung. David Locke, der Reporter, ist in jeder Hinsicht am Ende, verliert den Boden der psychischen Realität unter den Füßen, gerät in jene als absolut erfahrene Sinnlosigkeit. Ihm öffnet sich unversehens ein Fluchtweg, als er die Leiche eines Geschäftsmanns findet, und seine auffällige psychische Ähnlichkeit mit dem Toten ihn auf die Idee bringt, dessen Identität anzunehmen. Der Reporter, ein „Unbehauster“im konkreten Sinne des Worts, bleibt überall ein Fremder, und mit seinen falschen Bewegungen driftet der Film planvoll ziellos, mit kühnen, an Jacques Rivettes erinnernden Montagefolgen verschiede Zeit- und Wahrnehmungsebenen verschmelzend. „Profession: Reporter“ist ein Film der Mauern und der sich ständig weiter verengenden Perspektiven. Partikel einer sichtbaren, „realen“Außenwelt verdichten sich zu beklemmenden, dabei unaufdringlichen, nie symbolhaft stilisierten Vision einer gestörten Innenwelt.“(Hans. C. Blumenberg) Kino 46

Big Night USA 1996, R: Campbell Scott, Stanley Tucci, D: Stanley Tucci, Isabella Rosselini, Campbell Scott

„Nach „Big Night“mag man nicht mehr zum Italiener gehen, denn kein wirkliches Essen kann so lecker sein wie jenes, das wir in diesem Film mit den Augen verzehren. Stanley Tucci, in letzter Zeit einer der schillernsten Nebendarsteller Holywoods, hat mit seinem Kollegen Campbell Scott einen Augenschmaus angerichtet, einen kleinen Restaurant-Film über die große Kunst des Kochens, heiter, melancholisch und ein Genuß für all jene, die Filme nicht verschlingen, sondern sie sich auf der Netzhaut zergehen lassen.“(tip) Gondel, Atelier

Bis zur Umkehrbank - Hans Keilson erinnert sich Deutschland 1995, R: Wilhelm Rösing, Martina Barthel-Rösing, D: Hans Keilson

„Deutschland in den 20ern: Furcht vor Spartakisten und Wirtschaftskrise bricht in die Idylle der Kleinstadt Bad Freienwalde ein, Vorboten dramatischer Veränderungen. Der Psychoanalytiker Hans Keilson berichtet über diese Vergangenheit, kontrastiert und ergänzt von den Stimmen anderer Zeitzeugen. Keilson überlebte den 2. Weltkrieg im holländischen Untergrund. Nach dem Krieg war er in Holland Mitbegründer einer Waisenorganisation für die aus Konzentrationslagern und Verstecken auftauchenden jüdischen Waisenkinder. Der Film handelt von den Brüchen deutscher Geschichte und ist der zweite Teil einer filmischen Triologie über jüdische Exilanten.“(Kommunalkino) kino 46

C

Circus USA 1927, R: Charles Chaplin, D: Charly Chaplin, Merna Kennedy / Stummfilm mit live Klavierbegleitung

„Charlie, der Tramp, schließt sich einem Wanderzirkus an, wo er sich als Clown, Seiltänzer und unglücklicher Liebhaber betätigt. Chaplins zweites Großprojekt (nach Goldrausch“) markiert das Ende seiner Stummfilmperiode. Deutlicher als zuvor mischt sich in das virtuos entfesselte Feuerwerk grotesker Gags ein Unterton der Melancholie: Ein Balanceakt zwischen Komik und Tragik mit dem Geschmack der Bitterkeit.“(Lexikon des internationalen Films) Kino 46

Clubbed to Death Frankreich 1997, R: Yolande Zaubermann, D: Elodie Bouchez, Beatrice Dalle

„Als Lola eines Abends im Nachtbus einschläft, landet sie im Nirgendwo der Pariser Vorstadt. Und wird aufgesogen von einem gigantischen Technoclub. In der unwirklichen Atmosphäre des Tanztempels begegnet sie dem Ex-Boxer Emir und der rätselhaften Vortänzerin Saida. Gemeinsam mit der verwunderten Heldin traumwandelt man im Ecstasyrausch, verschmilzt mit der tanzenden Menge, löst sich auf in hämmernden Rhythmen und verliert sich in der großen Liebe.“(tip) Cinema

Con Air USA 1997, R: Simon West, D: Nicolas Cage, John Malkovich

„Wer mitfliegt, zurre Sicherheitsgurt und Kotztüte fest, denn die neue machomanische Flugnummer von Produzent Jerry Bruckheimer („Top Gun“, „The Rock“) und Regisseur Simon West stürzt mit allen pyrotechnischen Schikanen ins cinematische Sommerloch. Selbst die Crew aus glanzvollen Charakterdarstellern hebt den Luftheuler kaum in höhere Schichten: Die Knackis Nicolas Cage, John Malkovich, Ving Rhames und Steve Buscemi gehören zu einer gefährlichen Flugschar, die in eine neue Hochsicherheitsanstalt verlegt werden soll. Die schweren Jungs entführen das fliegende Knastzimmer, und die Action-Apotheosen tosen. Ein, zwei Frauen sind auch an Bord, sie bringen, dramaturgisch nötig, das Element des Weiblichen ein – hormonell gesehen, reichen die häufigen Explosionen völlig.“(Der Spiegel) Ufa-Stern

E

Ein Mann – ein Mord USA 1997, R: George Armitage, D: John Cusack, Dan Aykroyd, Minnie Driver

„Psychopathen töten ohne Grund, ich töte für Geld! Martin Blank hat es in bald zehn Jahren als Auftragskiller weit gebracht, und doch fragt er sich, ob das alles ist im Leben. Ärger macht ihm auch sein einstiger Förderer Mr. Grocer, der ihn unbedingt zur Gründung einer Killergewerkschaft überreden will. In einer mißlichen Lage wie dieser kommt das zehnjährige Highschool-Treffen in Grosse Pointe, Michigan gerade recht. Dort trifft Martin seine Jugendliebe wieder, doch gerade als der Killer über ein neues Leben nachdenkt, wird ihm mitgeteilt, wer als neues Opfer auf seine Abschußliste gesetzt wurde. Regieveteran George Armitage („Miami Blues“) ist eine der seltsamsten, erfrischensten und witzigsten Killerkomödien der letzten Zeit gelungen. Wer's makaber mag, hat seine Freude.“(TV-Spielfilm) UT-Kinocenter

F

Fire Canada 1996, R: Deepa Metha, D: Shabana Azmi, Nadita Das

„In eine schrecklich nette Familie hat die junge Sita da eingeheiratet: Ihr Angetrauter träumt von seiner Geliebten, Schwager und Schwägerin leben im sexlosen Ehemartyrium. Diese Attacke auf die indische Bourgeoisie hat die Filmemacherin Deeppa Metha („Camilla“) mit so grimmiger Verve gedreht, daß ihr dabei die Leichtigkeit abhanden kam: Die Dialoge scheppern wie im Handbuch der Political Correctness. Aus der patriarchischen Misere läßt Metha Sita und die Schwägerin in eine lesbische Affäre entfleuchen – und unterstellt dadurch, politisch erstaunlich unkorrekt, daß Lesben eigentlich frustrierte Hetera-Frauen sind.“(Der Spiegel) Atlantis

First Strike Hongkong 1996, R: Stanley Tong, D: Jackie Chan, Jackson Lou, Chen Chun Wu

„Hongkong-Cop Jackie muß sich diesmal im CIA-Auftrag mit der russischen Mafia herumschlagen. Handlung und Charakterzeichnung wirken rudimentär und dienen der Präsentation spektakulärer Action-Szenen. Die sind teilweise vom Feinsten, wie zum Beispiel der großartig choreografierte Kung-Fu-Fight des nur mit Besen und Leiter bewaffneten Helden gegen eine Übermacht knüppelschwingender Gegner.“(tip) UFA-Stern, UT-Kinocenter

Das fünfte Element Frankreich 1997, R: Luc Besson, D: Bruce Willis, Gary Oldman, Ian Holm

„Wie das absolut Böse aussieht, wissen wir nicht. Nur einmal können wir seine Stimme hören. Jedenfalls bedroht es als riesige Feuerkugel die Erde. Das Böse hat einen fiesen Handlanger (Gary Oldman) auf Erden, dem sein Hitlerbärtchen an der Unterlippe klebt. Die Guten sind ein New Yorker Taxifahrer und das fünfte Element. Das ist – logisch – eine Frau. Sie kommt von einem fremden Planeten. Die Außerirdischen in diesem Film sind das Rührendste, was seit E.T. auf der Leinwand zu sehen war. Sie sehen aus wie Rhinozerosse, die aufrecht gehen. Besson hat sich keine Zukunft ausgedacht, er hat einfach die Gegenwart ein wenig weiter getrieben. Zwar können die Autos jetzt durch die Luft fahren, aber Verkehrsprobleme gibt es immer noch. Genau wie Zigaretten – nur daß die jetzt mehr Filter als Nikotin haben. Bessons Film ist ein Märchen, einem Indiana-Jones-Film ähnlicher als Tim Burtons zynischem „Mars Attacks“. Selbst Bruce Willis macht hier eine gute Figur.“(taz) Schauburg, City, Ufa-Stern, Gloria (Del), Passage (Del), Casablanca (Ol), Solitaire (Westerstede)

Funny Games Österreich 1997, R: Michael Haneke, D: Susanne Lothar, Ulrich Mühe

„Ein Kamerablick von oben. Ein teures Auto, auf dem Anhänger ein Segelboot. Vater, Mutter, Kind auf dem Weg in den Urlaub. Im Auto hört man Oper. Dann ertönt Heavy metal-Krach. So bricht eine Ahnung der Gewalt ins Idyll. Der Vorspann nimmt die Funktionsweise vorweg: Man sieht die Gewalt kaum (eher hört man sie), aber die Inszenierung sorgt dafür, daß sich der Schrecken in unserem Kopf zu einem Bild zusammenfügt. Funny Games scheint von Szene zu Szene heftiger zu fragen: Warum gehen Sie nicht? Wollen Sie das wirklich sehen? Die terroristische Wirkung speist sich jedoch nicht aus diesen plumpen Tricks, uns ins Geschehen einzubeziehen, sondern aus der Weigerung, die Gewalt zu erklären. Die Mörder haben kein Motiv! Die Gewalt, die im Kino stets und noch in den übelsten Trash-Filmen Teil einer Erzählung ist, ist in Funny Games nicht codiert. Sie kommt bei Haneke aus dem Nichts. Sie hat keine soziale oder erotische, keine politische und keine religiöse Dimension. Sie ist. Punkt. Funny Games ist kein Film, sondern ein Modellversuch: ein Milgram-Experiment im Kino.“(epd) City

H

Hunger Deutschland 1996, R: Dana Vavrova, D: Catherine Flemming, Kai Wiesinger, Christiane Hörbiger

„Nachdem schon einige Komödien des neueren deutschen Kinos an die Klamotten der 50er Jahre anzuknüpfen scheinen, so drängt sich nach „Hunger“die Vermutung auf, daß eine weiter Verbindung zwischen dem ganz jungen und dem ganz alten deutschen Film besteht: Der „Problemfilm“. „Hunger“ist das Portrait einer Frau, die an Bulimie leidet, die manisch in sich hineinfrißt, um es gleich danach wieder auszukotzen. Eigentlich das „richtige“Thema für eine psychologische Studie, doch schon das Setting in der Welt des jungen, gehobenen Mittelstandes, läßt erste Befürchtungen aufkeimen: Laura ist – was den sonst – Marketing-Chefin. Sie trifft auf Simon, einen – was den sonst? – Graffitikünstler, der ansonsten einen edlen Juwelierladen betreibt. Lauras Freßschübe hat Vavrova allzu effektvoll inszeniert: mit Weißblenden und kräftigen Bässen auf der Tonspur. Wer es mit Dana Vavrova, der Ehefrau von Joseph Vilsmaier und Hauptdarstellerin seiner Filme, böse meint, könnte finden, daß sie ihr Thema an die Stereotypen des neueren deutschen Films verraten hat. Tragischer aber noch wirkt der Umstand, daß die Introspektion in das Denken von Laura, das Wechselspiel von Innensicht und Außenwelt nicht funktioniert.“(epd-Film) Schauburg, Wall- & Ziegelhofkinos (Ol), Apollo (Whv)

I

Im Körper des Feindes USA 1997, R: John Woo, D: John Travolta, Nicolas Cage, Joan Allen, Gina Gershon

„Gleich in der ersten Virtelstunde zündet Regie-Virtuose John Woo ein Action-Feuerwerk, das die Leinwand förmlich explodieren läßt. Was bei anderen Produktionen ein abendfüllendes Spektakel ergeben hätte, dient ihm allein zur Exposition seiner bizarren Story. Hongkong-Veteran Woo (“The Killer“) ist hier auf der Höhe seiner Kunst. Sein dritter amerikanischer Film funktioniert nicht nur als pyrotechnisches Knallbonbon, sondern auch als psychologisches Duell - unterstützt von brillanten Hauptdarstellern. Die schizophrene Athmosphäre sowie die starken Charaktere machen den ewigen Kampf Gut gegen Böse zum Kern eines meisterhaften Melodrams. Den Alptraum, in der Haut des meistgehaßten Feindes zu stecken, erzählt John Woo konsequent zu Ende. Dabei nutzt der Regisseur Elemente seiner früheren Film und inszeniert glänzend choreographierte Todesballette von makabrer Eleganz.“(Bremer) Europa, Lichtspielhaus

Immer Streß mit Papa Schweden 1993, R: Stephan Apelgren

„Wie jedes Jahr zur Urlaubszeit packt Familie Anderson das klappriger Wohnmobil, um sich auf dem Campingplatz an der schwedischen Heimatküste einzunisten. Hier braust Tochter Anna mit Hallodris im Cabrio umher, Während ihr Bruder Sune hartnäckig um die Gunst seiner ersten zarten Liebe buhlt. Eine lockere Familienkomödie für Kinder, die auf erfrischende Weise die Klischees des Genres auf die Schippe nimmt.“(tip) Gondel

In Love and War USA 1996, R: Richard Attenborough, D: Sandra Bullock, Chris O'Donnell

„Richard Attenborough will nicht nur der Geschichte zeigen, was – ha! – eine richtige Harke ist, sondern auch der Literatur. 1918 zog Ernest Hemingway, gerade 18jährig, als Kriegsberichterstatter nach Italien. Er wurde schwer verletzt und verliebte sich in seine 26jährige Krankenschwester, auf deren Tagebüchern der Film beruht. „In Love and War“ist für mich das Schlimmste, was es überhaupt gibt, nämlich ein sogenannter „Ein-bißchen-Film“. Es herrscht ein bißchen Krieg, aber nicht zu doll, damit das Publikum nicht erschrickt, und manchmal ist jemand ein bißchen tot. Alles ist Dekor, nur Chris O'Donnells exorbitante Dämlichkeit als Schauspieler leider nicht. Als Hemingway ist er so geeignet wie ich es an Liz Taylors Stelle als Cleopatra gewesen wäre. Schade nur um Sandra Bullock, die mit ihrer Ernsthaftigkeit jedem noch so schlechten Film ein wenig Wärme einhauchen kann.“(Anke Westphal, taz) UFA-Stern

In Sachen Liebe USA 1997, R: Griffin Dunne, D: Meg Ryan, Matthew Broderick

„Stellen Sie sich vor, Sie wären Regisseur. Wen würden Sie als deftige Mischung aus dem Rüpel-Mädel Tank Girl und der Hobel-Braut Barb Wire besetzen? Griffin Dunne, selbst Schauspieler, dachte für „In Sachen Liebe“um die Ecke. Er engagierte – nein! ja! – Kullerauge Meg Ryan. Eine kluge Entscheidung. Denn als Maggie, die ihren französischen Ex-Verlobten Anton zugrunde richtet, gibt Meg einen teuflisch bösen Rachengel ab. Zur Seite steht ihr herrlich naiv Matthew Broderick, dessen EX-Verlobte mit eben jenem Anton zusammenlebt. Daß bei dieser platonischen Interessengemeinschaft Liebesversehrter irgendwann die Gefühle purzelbaumschlagen, ist klar. Denn seit „Harry und Sally“wissen wir: Männer und Frauen können auf Dauer nicht nur Freunde sein. Was „In Sachen Liebe“sehenswert macht? Daß Griffin Dunne das Kunststück vollbracht hat, eine Liebeskomödie zu drehen, die hundsgemein ist. Und weil sie zeigt, daß uns enttäuschte Gefühle in grandiose Arschlöcher verwandeln.“(Cinema) UT-Kinocenter, Ufa-Palast

In the Heat of the Night USA 1967, R: Norman Jewison, D: Sidney Poitier, Rod Steiger / Originalfassung ohne Untertitel

„A comedy-thriller with Sidney Poitier as a quick-witted police police officer from the North and Rod Steiger as a blundering Southern chief of police. Fast and enjoyable, with Poitier's color used for comedy. He's like a black Sherlock Holmes in a Tom-and-Jerry cartoon of reversals. For once it's funny (instead of embarassing) that he's superior to everybody else. In the final joke, Steiger plays redcap to him. The cinematography by Haskell Wexler has an exiting, alive quality, and the good Quincy Jones score includes a title song sung by Ray Charles.“(Pauline Kael) Kultursaal der Angestelltenkammer

J

Jenseits der Stille Deutschland 1996, R: Caroline Link, D: Howie Seago, Emmanuelle Laborit

„Caroline Link zeigt, daß mit dem deutschen Kino auch dann noch zu rechnen ist, wenn ihm das Lachen vergangen ist: Eine Tochter gehörloser Eltern wird ausgerechnet Musikerin. Die Eltern begreifen nicht, daß sie sich mit ihrer Klarinette jenseits der Sprache ausdrücken kann - genauso wie diese mit ihren Gebärden. Mit „Jenseits der Stille“ist der jungen Regisseurin ein wunderbar musikalischer Film aus der Welt der Taubstummen gelungen.“(Der Spiegel) Cinema, Wall- & Ziegelhofkinos (Ol)

K

Karakum - Das Wüstenabenteuer Deutschland/Turkmenistan 1993, R: Arend Agthe, D: Max Kullam , Martin Semmelrogge

„In Arend Agthes Jugendfilm deichseln zwei hitzebeständige Jungs das trockene Überlebenstraining in der turkmenischen Wüste. Kids als Kult - als ambivalent bezeichnet Agthe den deutschen Medienmarkt für Kinder. Eine Brücke will er schlagen und Unterhaltung mit Tiefgang produzieren. „Karakum“ist gerade mal ein wackliges Brett über dem Abgrund des deutschen Kinderfilms.“(tip) UFA-Palast

Knockin' On Heaven's Door Deutschland 1997, R: Thomas John, D: Till Schweiger, Jan Josef Liefers

„Auch Lausbuben kommen manchmal in den Himmel; das Sterbenmüssen ist offenbar Strafe genug dafür, wie sie über die Stränge schlugen. Hier geht es also um zwei junge Kerle, die sich als ,Abnippel-Experten' verstehen dürfen: Jeder für sich hat soeben im Krankenhaus die Diagnose erhalten, daß sein letztes Stündlein nahe bevorstehe; doch da sie sich beide zu munter zur Verzweiflung fühlen, fassen sie gemeinsam Mut zu einem letzten Ausbruch ins nie gelebte Leben. Weithin, zugegeben, ist diese Actionkomödie ein recht kumpelhaftes Abenteuer, bei dem viele freundliche Frauen immer nur kurz hereinschauen. Doch eben diese Frauenferne bewahrt den Helden ihre Unschuld: Lausbuben sind und bleiben sie und also unwiderstehlich. Wer will schon beim Sterben der erste sein? Aber so heiteren Herzens sieht man Kinohelden nicht alle Tage zum Himmel fahren.“(Der Spiegel) UFA-Stern

Kolya Tschechien/Großbritannien 1996, R: Jan Sverak, D: Zdenek Sverak, Andrej Chalimon

„Garantiert überlegen in Hollywood schon etliche Produzenten fieberhaft, welchen ergrauten Superstar – Robert Redford? Jack Nicholson? – sie für ein Remake von „Kolya“begeistern könnten. Gefragt, worum es in der oscar-prämierten Tragikomödie aus Tschechien eigentlich geht, würden sie dann vermutlich im typisch knappen Hollywood-Jargon antworten: „Green Card“meets „Kramer gegen Kramer“. Der wegen politischer Mißliebigkeit kaltgestellte Prager Cellist Frantisek läßt sich auf eine Scheinehe mit einer Russin ein. Als seine Gatin in die BRD rübermacht, hat der Kinderhasser und notorische Casanova plötzlich ihren fünfjährigen Sohn Kolya am Hals. Die Tränendrüse wird nicht strapaziert, dennoch trifft der Film mitten ins Herz. Ohne billige Effekte und mit viel Humor. Ein echtes Juwel.“(Cinema) City, Casablanca (Ol)

L

La ardilla roja (Das rote Eichhörnchen) Spanien 1993, R: Julio Medem, D: Nacho Novo, Emma Suarez / Originalfassung mit Untertiteln

„Eine eigenwillige Liebesgeschichte um einen Musiker, privat und beruflich in einer Pechsträhne, der einem hübschen jungen Unfallopfer ohne Erinnerung vortäuscht, sie hätten schon jahrelang ein Verhältnis miteinander. Die Frau geht darauf ein, obwohl ihre Amnesie nicht so lange vorhält, wie er glaubt. Der poetische, aber auch dramatische, mit Träumen und Symbolen durchsetzte, ansprechend inszenierte und gespielte Film behandelt ein bekanntes Thema in origineller Form: Beziehungsschwierigkeiten und Machtkämpfe zwischen Männern und Frauen.“(multimedia) Kino 46

M

Mary Poppins USA 1964, R: Robert Stevenson, D: Julie Andrews, Dick van Dyke

„Einer der schönsten Kinderfilme aller Zeiten: „Mary Poppins“ist als Musical so perfekt und originell wie kaum ein Anderes, mit einer zeitlosen Geschichte, guten schauspielerischen Leistungen, einer fehlerlosen Mischung von Realfilm und Zeichentrick, wunderschönen Liedern und einem Drehbuch, das all den Charme der Buchvorlage in die Adaption hinüberettet. Wenn ihre Gouvernante aus der Luft mit dem Regenschirm als Fallschirm heruntergleitet, wissen die Kinder gleich, daß dies kein normales Kindermädchen ist. Sie führt sie durch eine Reihe von abenteuerlichen Eskapaden, um ihnen so ganz nebenbei gutes Benehmen beizubringen. So reisen sie in eine Welt, die mit animierten Pinguinen bevölkert ist, die Tee auf einem Karussell voller bockiger Pferde servieren.“(James Monaco) Atlantis

Men in black USA 1997, R: Barry Sonnenfeld, D: Tommy Lee Jones, Will Smith, Linda Fiorentino

„M.I.B. ist ein unprätentiöser Film, der im Kleinen Größe zeigt – also das genaue Gegenteil von Luc Bessons Das fünfte Element. Er läßt dem Zuschauer Zeit, die Vielfalt der Aliens zu bestaunen. In schönster B-Film-Tradition kommt M.I.B. gleich in der ersten Szene zur Sache, wenn die Grenzpolizei in New Mexico einen LKW anhält, voll mit illegalen Einwanderern – „illegal aliens“, wie es doppeldeutig im Englischen heißt, von denen einer tatsächlich ein Außerirdischer ist. Dessen Enttarnung bleibt allerdings zwei plötzlich auftauchenden M.I.B. vorbehalten, die den Grenzverletzer leider erschießen müssen. Da staunen die Grenzpolizisten nicht schlecht, aber nur solange, bis M.I.B.-Agent K. ihr Kurzzeitgedächtnis mit einem Blitz aus seinem Zauberstab löscht. Seit 1962 sind die Aliens unter uns, erfahren wir. Manhattan ist das Tor zu unserer Welt, wo fortwährend intergalaktische Flüchtlinge eintreffen. Daß die Menschheit nichts davon weiß, ist das Verdienst dieser Behörde, die jeden Neuankömmling genau unter die Lupe nimmt, Aufenthaltsbeschränkungen ausspricht und Kriminelle jagt.“(epd) UT-Kinocenter, Solitaire (Westerstede), Wall- & Ziegelhofkinos (Ol) / UFA-Palast auch in englischer Originalfassung

Menschen im Hotel BRD/Frkr. 1959, R: Gottfried Reinhardt D: O.W. Fischer, Heinz Rühmann, Gert Fröbe

„Neuverfilmung des Romans von Vicki Baum, von geschickter psychologischer Reportage zur Kolportage abfallend. Wo einst große Schauspieler sich willig unterordneten, sind jetzt Starrollen gebündelt. Reinhardt inszenierte im betulichen Kammerspielton.“(Film-Lexikon) FSK 1959 ab 18 J.! Atelier

Momo Deutschland 1985, R: Johannes Schaaf, D: Radost Bockel, Mario Adorf, John Huston

„Verfilmung des gleichnamigen Erfolgsromans von Michael Ende, in dem eine kleine idyllische Lebensgemeinschaft durch die Machenschaften böser „Zeitdiebe“bedroht, und von einem kleinen Mädchen im Bunde mit dem gottähnlichen „Meister Hora“gerettet wird. Im Vergleich mit Petersens bombastischer Ende-Adaption „Die unendliche Geschichte“ein erstaunlich bescheidener Märchenfilm, der sich weniger auf grobe Effekte, vielmehr auf glaubwürdige Charaktere und atmosphärische Dichte verläßt.“(Lexikon des internationalen Films) Kino 46

Mrs. Dalloway GB/NL 1997, R: Marleen Gorris, D: Vanessa Redgrave

„Vanessa Redgrave kann das: mit allen Wassern des Irdischen gewaschen und doch melancholisch entrückt aussehen, die spröde Kluge spielen und zugleich eine Aura von Geheimnis verbreiten, anwesend und abwesend in einem sein. Wenn Marleen Gorris' Verfilmung von Virginia Woolfs Roman „Mrs. Dalloway“eines hat, dann ist es die perfekte Hauptdarstellerin. Es ist eine riskante Unternehmung, im Grunde die Quadratur des Kreises: einen Roman zu verfilmen, dessen Handlung (fast) nichts, dessen Sprachgewalt und Innenweltschau aber (fast) alles sind. Die Schnittmenge aus Film und Buch bilden vor allem die sensibel geschilderten Sinneneindrücke und das die innere Befindlichkeit spiegelnde – und beeinflussende – äußere Leben. Erzählt wird ein Tag im Leben einer Frau der englischen Oberklasse, die morgens durch London schlendert und abends eine Party gibt.“(epd) Filmstudio, Cinema

N

Ninotschka USA 1939, R: Ernst Lubitsch, B: Billy Wilder, D: Greta Garbo

Ein abgebrühter adeliger Lebemann in Paris verliebt sich in eine politische Kommissarin aus der noch jungen Sowjetunion, die seinem Charme und dem der kultivierten bourgoisen Zivilisation des Westens zwar erliegt, dann aber doch in ihre sozialistische Heimat zurückkehrt. Zeit- und Charakterkomödie mit menschlicher Wärme und satirischem, niemals verletzendem Witz. Garbo spielte hier ihre einzige wirklich gelungene komische Rolle.“(Film-Lexikon) Filmstudio

S

Speed 2 USA 1997, R: Jan De Bont, D: Sandra Bullock, Jason Patrick, Willem Dafoe

„Wie erfrischend sauste doch in die dröge Kinosaison 1994 „Speed“hinein: Ein Action-Thriller von schnörkelloser Eleganz, klar, scharf, plausibel. Und dazu das ansteckemd meckernde Lachen von Sandra Bullock! Die Fortsetzung mag wegen des Erfolges unvermeidlich gewesen sein, doch sie muß ohne den Herzbuben Keanu Reeves auskommen und auch ohne den cleveren Autor Graham Yost. So hat Regisseur Jan De Bont selbst eine neue Story ausgeheckt, die als Super-Bomben-Leger, o je, o je, wieder mal einen größenwahnsinnigen Computerfreak aufbietet und als Schauplatz einen Kreuzfahrtdampfer. Da es von der Höhe der Kommandobrücke bis hinab in die Eingeweide der Maschinerie furchtbar viel herumzuhebeln gibt, kommt bald der Überblick abhanden. Verlaß ist allein auf das diabolische Zähneblecken des Starschurken Willem Dafoe und natürlich auf Sandra Bullocks vergnügtes Meckern.“(Der Spiegel) UFA-Stern

Susi und Strolch USA 1955, R: Hamilton Luske, Glyde Geronimi, Wilfried Jackson

„Eine verwöhnte Cockerdame verliebt sich in einen sympathischen Straßenköter, Gefühl- und humorvolle Hundeabenteuer in einem Zeichentrickfilm Walt Disneys, der den Tieren rein menschliche Eigenschaften und Reaktionen unterstellt. Liebenswürdige Unterhaltung für Jung und Alt.“(Lexikon d. Intern. Films) Schauburg

T

The Killer Hongkong 1989, R: John Woo

„The Killer ist eine fortwährende Ballerei, eine 110minütige Choreographie des Todes, ein Schauermärchen der Unterwelt, die Glücksvision eines durchgeknallten Feuerwerkers, die Horrorphantasie eines zurückgebliebenen Kindes, der logistische Traumerfolg eines cineastischen Perfektionisten – kurz: ein nahezu perverses Kinoereignis. Und trotzdem ist The Killer weit mehr als nur ein höchst beeindruckender Film. John Woo erzählt hier die alte Geschichte vom edlen Gesetzesbrecher, vom romantischen Berufsmörder, der sein schmutziges Gewerbe mit reiner Seele betreibt.“(Peter Buchka) Kino 46

Tieta do Brasil Brasilien 1996, R: Carlos Diegues, D: Sonia Braga

„Auch in Bahia ist nicht alle Tage Karneval, doch die Lebenslust reicht für einen saftigen Sommerfilm. Dieser hier, nach einem Roman des beliebten Volksautors Jorge Amado, erzählt von der schönen Tieta, die vor 26 Jahren als Sünderin aus ihrem Dorf verjagt wurde, nun aber als reiche Witwe mit Jubel empfangen wird. Aber nein, dies ist kein Remake von Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“, den die Heimkehrerin - Sonia Braga, Brasiliens Sexstar im Ruhestand, in einer Prachtrolle - erweist sich als lustige Witwe mit platinblonder Mähne: Nicht rächend, sondern erotisierend hält sie sich an denen schadlos, die sie einst verstießen. Auch das, natürlich, ist eine moralische Geschichte.“(Der Spiegel) Atelier, Casablanca

V

Vergessene Welt USA 1997, R: Steven Spielberg, D: Jeff Goldblum, Julianne Moore, Arliss Howard

„Steven Spielbergs Fortsetzung des Blockbusters „Jurassic Park“von 1993 ist unverkennbar das Produkt eines meisterlichen Handwerkers. Diesmal hat er zudem einen Weg gefunden, auch sich selber zu amüsieren, obwohl er dem Publikum einen Film der Art vorsetzt, der er selber inzwischen offensichtlich entwachsen ist. Auf seiner zweiten Reise in das Land der Dinosaurier verzichtet der Regisseur auf die ehrfurchtvolle Ernsthaftigkeit, die seinen Stil im ersten Film fossilisierten, und ersetzt sie mit flotten Jahrmarktsattraktionen und einem neckenden, selbstironischen Ton. Er arbeitet hier wie ein großartiger Gagman“(The New Yorker) Europa, UFA-Palast, UT-Kino, Lichtspielhaus (Del), Wall- & Ziegelhofkinos (Ol)

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Der Zauberberg Deutschland 1981, R: Hans W. Geißendörfer, D: Christoph Eichhorn, Rod Steiger, Hans Christian Blech

„Verzauberung verspricht der Titel, und dem Film gelingt sie im Handstreich. Verzauberung eines Lungensanatoriums in ein Liebesschloß und eine Todesburg, auf der ein vage lebensmüder hanseatischer Jüngling namens Hans Castorp die Hauptfächer des Lebens studieren soll. So will es Thomas Mann in seinem „Bildungsroman“. Schon Bernhard Sinkels Krull-Film hat in seinen besten Passagen bewiesen, was nun Geißendörfer zweieinhalb Stunden lang vorzeigt, und was als erster Visconti in seinem „Tod in Venedig“entdeckt hat: Thomas Manns Bildungsromane und Problemnovellen sind in Wahrheit Traumfabriken, Wunschtraum- und Alptraumwerkstätten. Sie bauen sich Kunstwelten auf, Kulissenwelten jenseits des Alltags, entführen in ein Reich der übergenauen Details, das als Ganzes doch phantastisch bleibt. Wenn ein Filmregisseur diese Qualität in diesen Büchern entdeckt, dann hat er, was er sucht: Kino.“(Reinhart Baumgart) Kino 46