Ein ehrenwertes Anliegen

■ „Heimat, das ist unterwegs sein“: Die Geschichte des Peter Finkelgruen, der 1942 im Exil in Shanghai geboren wurde

Bis vor kurzem wußte kaum jemand, daß es in Shanghai seit Ende der dreißiger Jahre eine jüdische Gemeinde gab, in der zeitweilig bis zu dreißigtausend aus Europa geflüchtete Juden lebten. Fünfzig Jahre danach hat man – unter anderem mit der kürzlich zu Ende gegangenen Ausstellung im Martin-Gropius-Bau – begonnen, die Geschichte des jüdischen Ghettos von Shanghai wieder zu erzählen.

Auch der Kölner Schriftsteller und Journalist Peter Finkelgruen wurde 1942 in Shanghai geboren; es war die erste Station einer Odyssee, die das Kind 1946 nach Prag, 1951 nach Haifa und als Erwachsener schließlich nach Deutschland führte, in das Land, aus dem seine Eltern geflohen waren. Als Peter Finkelgruen im vergangenen Jahr an die Orte seiner Kindheit gereist ist, war dies die Suche nach einer Heimat, die es für das Kind Peter nicht gab: „Heimat – das ist unterwegs sein“. Und so heißt der Dokumentarfilm, den Finkelgruens Freund Dietrich Schubert über diese Reise gedreht hat, „Unterwegs als sicherer Ort“.

Ausgangspunkt für Peter Finkelgruens Reise in die Vergangenheit war die Beschäftigung mit einem Ereignis, das im Jahr seiner Geburt geschah: Sein Großvater wurde in Theresienstadt von dem SS-Mann Anton Malloth erschlagen. Jahrelang hat Finkelgruen vergeblich versucht, den Mörder seines Großvaters in Deutschland vor Gericht zu bringen.

„Ein perfekter Mord“, sagt Finkelgruen am Anfang des Films, „von dem alle wissen, dessen Mörder alle kennen, zu dem aber alle schweigen.“ Finkelgruen und das Fernsehteam stehen vor dem Haus, das dem Mörder gehört, vor dem Altersheim, in dem er wohnt; sie reisen nach Theresienstadt, und Peter Finkelgruen erzählt, was er weiß von diesem Großvater, den er nie kennengelernt hat.

Weitere Stationen der Reise führen von der Geschichte des Mordes zu der des kleinen Jungen: nach Shanghai, in das kleine Haus, in dem die Familie wohnte, und danach nach Israel, wo der Onkel noch lebt und von früher erzählt. Eine Suche also, in der das Schicksal des kleinen Peter Finkelgruen verschmilzt mit der Geschichte der Emigration einer ganzen Generation und mit der Geschichte von der verfehlten Aufarbeitung dessen, was passiert ist.

Ein interessantes Projekt also, ein ehrenwertes Anliegen. Leider gelingt es Dietrich Schubert nicht wirklich, all diese Geschichten, die erzählt werden wollen, mit den Bildern aus der Gegenwart zu einem überzeugenden Ganzen zusammenzufügen. Die Kamera langweilt sich durch Kilometer deutscher Autobahnen; sie ignoriert die faszinierende Szenerie von Shanghai, die Farben der israelischen Wüste.

Und was die Bilder nicht zu zeigen vermögen, wird erklärt: Erst vom Protagonisten Finkelgruen, dann noch mal vom Autor Schubert. Der steht geschwätzig daneben und verwickelt Finkelgruen in Small talk, zu allem Überfluß gibt er noch im extrem plakativen Kommentar aus dem Off nachträglich seinen Senf dazu. Schade, soviel Zeigefinger wäre gar nicht nötig gewesen. Elke Buhr

„Unterwegs als sicherer Ort“, Deutschland 1997, 92 Min.; Regie: Dietrich Schubert, Central 2,

Rosenthaler Straße 39