ÖTV will privates Wassermonopol verhindern

■ Die Privatisierung der Wasserbetriebe verstößt möglicherweise gegen die Verfassung. Gewerkschaft befürchtet drastische Erhöhung der Wasserpreise

Steigt der Wasserpreis von heute 3,45 Mark bald auf 5 oder 6 Mark? Diese Gefahr bestehe durchaus, befürchtet die Gewerkschaft ÖTV für den Fall, daß die Berliner Wasserbetriebe (BWB) privatisiert werden sollten. Und die VerbraucherInnen hätten keine andere Wahl, als den hohen Preis zähneknirschend zu akzeptieren. Denn auch in Zukunft seien die Wasserbetriebe der einzige Anbieter, der Trinkwasser liefere und Abwasser entsorge. „Ein privates Monopol“, so ÖTV-Chef Kurt Lange gestern.

Genau das aber verbiete die Landesverfassung. Dort heißt es in Paragraph 24: „Private Monopolorganisationen stellen einen Mißbrauch wirtschaftlicher Macht dar und sind verboten.“ Setzt der Senat die Privatisierung der landeseigenen Wasserbetriebe durch, will die Gewerkschaft mit einer Normenkontrollklage prüfen lassen, ob die Regierung gegen die Verfassung verstößt. Mindestens ein Viertel der Landtagsabgeordneten dürfen gemeinsam eine solche Klage bei Gericht einreichen. „Wir werden sie auffordern, das zu tun“, sagte Lange.

Einiges deute auf die Verfassungswidrigkeit hin, sagte gestern der Rechtsanwalt Klaus-Martin Groth, dessen Kanzlei die ÖTV mit einem Rechtsgutachten zur BWB-Privatisierung beauftragt hat. SPD-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing überlegt, die Wasserbetriebe von der jetzigen Rechtsform als Anstalt öffentlichen Rechts in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln, um dann einen Großteil der Anteile für rund drei Milliarden Mark zu verkaufen. Ein französischer Großkonzern hat bereits Interesse angemeldet. Die Gewerkschaft läuft Sturm dagegen, weil sie die drastische Verringerung der 6.700 Arbeitsplätze befürchtet.

Für die Berliner Haushalte besteht ein Anschlußzwang an die Wasserbetriebe. Diese Regelung ist erträglich, weil die BWB ihre Preise nicht so erhöhen können, wie sie vielleicht wollten. Das Unternehmen darf auf die VerbraucherInnen nur seine tatsächlichen Kosten umlegen, Gewinne kann es mit Trinkwasser und Abwasser nicht machen – so sieht es das heute geltende Prinzip der Kostendeckung vor.

Ob das auch im Falle der Privatisierung so bleiben wird, „ist in der Rechtsprechung bis heute ungeklärt“, weiß Anwalt Groth. Der private Monopolbetrieb könnte also versuchen, seine unangefochtene Stellung ohne Konkurrenten durch Preiserhöhungen auszunutzen. Groth: „Aktiengesellschaften wollen ihre Gewinne erhöhen, solange es geht.“

Beim Energieversorger Bewag ruft die ÖTV für diesen Freitag zwischen 10 und 12 Uhr zu einem Warnstreik auf. Bis auf eine Notbesetzung soll die Belegschaft des Heizkraftwerks Mitte die Arbeit niederlegen. Die EnergieverbraucherInnen seien aber von dem Warnstreik der Beschäftigten nicht betroffen.

Hintergrund des Streiks: Der Vorstand der inzwischen privatisierten Bewag kommt der Aufforderung der ÖTV nicht nach, über einen neuen Tarifvertrag zu verhandeln, mit dem die Gewerkschaft die Kündigung von Beschäftigten ausschließen will. Der Vorstand hält rund 2.000 der 9.400 Arbeitsplätze der Bewag für überflüssig und will Kündigungen nicht ausschließen. Hannes Koch