Zaghafte Friedensvorschläge für Kolumbien

■ Seit Jahren ist das Land militarisiert worden, aufgerieben im Konflikt zwischen Militär und Guerillagruppen. Jetzt schlägt die Regierung vorsichtig einen Dialog vor

Wien (taz) – „Die Guerilla hat das Wort, und wir arbeiten weiter." Mit dieser Aufforderung an die Rebellen schloß Kolumbiens Präsident Ernesto Samper am Dienstag seine Ansprache zum Tag der Menschenrechte, in der er den Rahmen für einen Dialog mit den verschiedenen Guerillagruppen des Landes abgesteckt hatte. Die staatliche Friedenskommission, von der Regierung beauftragt, die Bedingungen für derartige Gespräche auszuloten, hatte am Dienstag ihren Bericht vorgestellt. Nach mehreren Gesprächen mit Vertretern der Guerilla ist die Friedenskommission allerdings nur vorsichtig optimistisch. Kein Wunder: Mit dem Attentat in der Grenzstadt Cúcuta auf den liberalen Senator Jorge Cristo am 8. August hatte die „Nationale Befreiungsarmee“ (ELN) gleichzeitig einen Schlag gegen den Präsidenten und gegen den Friedensprozeß geführt. Der Ermordete war ein persönlicher Freund Sampers, und Cúcuta sollte Schauplatz einer großen Friedenskonferenz werden.

Trotzdem glaubt die Friedenskommission, daß es mit ELN und der „Volksbefreiungsarmee“ (EPL) gemeinsame Ansätze zur „Humanisierung des Krieges“ gebe. Von den „Revolutionären Streitkräften Kolumbiens“ (FARC), der dritten und stärksten Guerilla, erwartet die Regierung eine Antwort auf ihr Angebot, eine entmilitarisierte Zone zu schaffen. Auch die Paramilitärs, deren Auflösung die Regierung offenbar als Trumpf in der Hand behalten will, sollen an den Verhandlungstisch geladen werden. Allerdings sieht die Friedenskommission kaum Chancen dafür, den Dialog unmittelbar zu beginnen. Zuerst muß das Mißtrauen, das in der Vergangenheit immer wieder durch gebrochene Versprechen genährt wurde, abgebaut werden. Daran allerdings scheint dem Präsidenten Samper tatsächlich gelegen zu sein: In seinem letzten Amtsjahr will der Staatschef der Tatsache Rechnung tragen, daß das brennendste Problem Kolumbiens nicht mehr die Drogenproduktion, sondern die ausufernde politische Gewalt ist.

Allein im vergangenen August wurden 700 Fälle von politisch motiviertem Kidnapping gemeldet. Die meisten betrafen Kandidaten für die Kommunalwahlen am 26. Oktober. In den letzten Tagen ermordete die Guerilla in der Provinz Tolima einen Gemeinderat und verschleppte in mehreren Landesteilen mindestens fünf Kandidaten. In den Gemeinden Riosucio und Risaralda drohten fast alle Kandidaten mit dem Rücktritt, wenn die Wahlen nicht verschoben werden. Obwohl die Regierung beteuert, sie habe die Situation in der Hand, mußte sie in 15 Gemeinden die Wahlen aus Kandidatenmangel absagen.

Ein Dialog mit den Guerillabewegungen scheint schon aus praktischen Gründen unvermeidlich. Die Guerilla ist in mehr als der Hälfte der Gemeinden aktiv und ersetzt in vielen die staatliche Autorität. Samper, wegen einer Sechs-Millionen-Dollar-Spende in seiner Wahlkampfkasse politisch angeschlagen, reagierte mit Konfrontation: Um sich zumindest die Loyalität der Streitkräfte zu sichern, verhängte er vorübergehend den Ausnahmezustand und legalisierte paramilitärische Selbstverteidigungsgruppen, die sogenannten „Convivir“ („Miteinander leben“). Diese angeblich nur zu Verteidigungszwecken aufgestellten Verbände vertreiben im Auftrag der Großgrundbesitzer Bauern und dienen der Armee für schmutzige Aufträge.

Durch die Militarisierung hat die Gewalt im Land zugenommen: Fast jeden Tag werden Aktivisten von Basisorganisationen ermordet. Der Ende Februar von einem Killerkommando exekutierte Gewerkschaftssekretär Victor Julio Garzon war nur einer der prominentesten.

Samper, der die Völkergemeinschaft immer aus dem Konflikt heraushalten wollte, akzeptierte schließlich die Einrichtung eines ständigen Beobachterpostens der UNO-Menschenrechtskommission in Bogotá. Die Spanierin Almudena Mazarrasa, die dem Büro seit April vorsteht, ist schnell zum Lieblingsfeind des politischen Establishments geworden, weil sie vor allem die repressiven Praktiken der Armee kritisiert und die Auflösung der paramilitärischen Verbände fordert, ohne gleichzeitig jeden blutigen Hinterhalt der Guerilla zu verurteilen.

Die anhaltende Kritik hat offenbar Früchte getragen. Samper besetzte vor ein paar Wochen mit Daniel García-Peña den lange Zeit vakanten Posten des Chefs der Friedenskommission neu und setzte General Harold Bedoya, einen der schlimmsten Scharfmacher, als Armeechef ab. Ralf Leonhard