Platzen Kommunalwahlen in Bosnien?

Serbische und kroatische Nationalisten drohen mit einem Boykott und setzen damit die internationale Gemeinschaft massiv unter Druck. OSZE lehnt jegliche Konzessionen ab  ■ Aus Sarajevo Erich Rathfelder

Ob die für den kommenden Samstag und Sonntag angesetzten Kommunalwahlen in Bosnien- Herzegowina stattfinden können, ist fraglich. Nicht nur bei der Führung der Serbischen Demokratischen Partei (SDS) von Radovan Karadžić, sondern auch bei der Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) sind Überlegungen im Gange, die Wahlen platzen zu lassen.

Die kroatische Nationalpartei preschte sogar vor. Am Dienstagnachmittag erklärte die Führungstroika, Bozo Rajić, Jadranko Prlić und Kresimir Zubak, aus heiterem Himmel, sie wolle die Kommunalwahlen boykottieren. Nach Angaben diplomatischer Kreise fürchtet die Führung der kroatischen Nationalisten offenbar, die Mehrheit der Stimmen in Mostar zu verlieren. Denn im Gegensatz zu den Wahlen vor Jahresfrist hat sich die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) diesmal bemüht, sorgfältige Wählerlisten zu erstellen. Im Prinzip sind nur jene Bürger wahlberechtigt, die schon vor dem Krieg in der Stadt ansässig gewesen sind. Dies könnte jedoch in Mostar eine Mehrheit für die muslimische Seite bedeuten.

So wurde gestern hinter verschlossenen Türen verhandelt. Zwar erklärte der Sprecher der OSZE, David Foley, es würden von seiten der internationalen Gemeinschaft keinerlei Konzessionen gemacht, doch sickerte durch, daß man bei einigen weniger gewichtigen Problemen den Kroaten entgegengekommen wolle. Alle diplomatischen Quellen stimmen darin überein, daß in der Frage der Wahlberechtigten keine Änderungen vorgenommen werden sollen.

„Jetzt stehen sechs Monate Arbeit von Hunderten von Angestellten, die Anreise von rund 2.300 Wahlbeobachtern und 70 Millionen Mark auf dem Spiel“, erklärte der Amerikaner Paul Hockenos, Sprecher der OSZE in Tuzla. Dies ist die Summe, die von der internationalen Gemeinschaft für die Wahlen bereitgestellt wurde. Falls die Wahlen scheiterten, hätte die OSZE einen herben Rückschlag hinzunehmen. Gerade darum bildet die Boykottdrohung auch für die serbisch-nationalistische Führung in Pale ein treffliches Mittel, der internationalen Seite doch noch Konzessionen abzupressen.

Seit gestern nachmittag tagen Vertreter der serbischen Nationalisten in einem Hotel im Skigebiet oberhalb Pales, um ihre Bedingungen für die Wahlteilnahme zu formulieren. Nach den Worten eines Pressesprechers sollen Personen, die von der OSZE wegen des Verdachts auf Kriegsverbrechen von der Liste gestrichen wurden, wieder auf den Wahllisten auftauchen.

Jetzt steht die Frage im Raum, was passieren würde, wenn es tatsächlich zum Boykott der Wahlen käme. Ein Teil der internationalen Gemeinschaft tendiert dazu, die Wahlen dennoch abzuhalten. „Die Boykotteure werden sich nur ins eigene Fleisch schneiden und Machtverluste erleiden“, erklären Sprecher von OSZE und SFOR. Andere Stimmen wollen dann die Kommunalwahlen absagen. Bei einem Boykott enstünden dermaßen gravierende Sicherheitsrisiken, da sowohl die serbischen wie die kroatischen Nationalisten versuchen würden, in den von ihnen kontrollierten Gebieten die Wahlen mit Gewalt zu behindern. Auseinandersetzungen dieser Art könnten nicht mehr verantwortet werden.

Sonderbotschafter Jaques Klein dagegen hält die meisten Sicherheitsprobleme für lösbar. Klein, der sich in den letzten Tagen in der westbosnischen Stadt Banja Luka aufgehalten hat, hob die umsichtige Vorgehensweise der SFOR und der lokalen serbischen Polizei nach der Ankunft von 75 Bussen mit rund 1.000 Karadžić-Anhängern in der Plavsić-Hochburg Banja Luka hervor. Es seien am Dienstag viele Waffen bei jenen rund 90 Personen gefunden worden, die sich in Begleitung des ranghöchsten Besuchers, Momcilo Krajisnik, befunden hatten.

Der Karadžić-treue Krajisnik, Mitglied des Staatspräsidiums in Bosnien-Herzegowina, war am Dienstag mit seinen Leuten im Hotel Bosna in Banja Luka festgehalten worden. Erst unter dem Schutz von SFOR und nach Verhandlungen mit Biljana Plavsić über ihre Entwaffnung konnten die Karadzić-Anhänger unter den Buhrufen der Bevölkerung das Hotel verlassen. „Die Menge der Waffen deutet darauf hin, daß diese Leute ernsthafte Absichten hatten, die Präsidentin der Republika Srpska zu stürzen“, erklärte Klein in Sarajevo. Die Führung in Pale hätte fälschlicherweise geglaubt, daß der größte Teil der serbischen Bevölkerung in Banja Luka auf ihrer Seite stehe. „Das war eine Fehleinschätzung.“ Nun gebe es Proteste, weil den Angreisten zwar bis zu 400 Mark für ihre Teilnahme versprochen worden war, das Geld aber nicht ausgezahlt wurde.