Professoren auf dem Olymp

■ Der Ruf des UKE ist angekratzt. Der Ärztliche Direktor Heinz-Peter Leichtweiß bemüht sich im taz-Gespräch um Schadensbegrenzung

taz: Das UKE gilt als unregierbarer Moloch, dessen Chefärzte in den Abteilungen wie Fürsten herrschen. Hat unter anderem diese C4-Herrlichkeit dazu geführt, daß ein Serienschaden wie der Strahlenskandal nicht vorher bekannt geworden ist, obwohl einige Mitarbeiter wußten, daß Patienten mit zu hohen Einzeldosen bestrahlt worden waren?

Heinz-Peter Leichtweiß: Das hört sich so an, als ob jemand etwas Kriminelles getan und versucht hätte, dies zu verbergen. Diese Einschätzung trifft das wahre Geschehen nicht. Ich bin ganz sicher, daß die Strahlentherapeuten damals in dem Bewußtsein gehandelt haben, daß sie das Richtige tun, um ihren Patienten zu helfen. Wenn dies an den gängigen Konzepten vorbeigegangen sein sollte, dann müssen sie das im einzelnen vertreten.

Die Struktur eines Klinikums dieser Größenordnung ist übrigens auf der ganzen Welt gleich. Das heißt, Sie müssen einen Arzt haben, der die Verantwortung trägt. Glauben Sie denn, daß die C4-Götter in einer olympischen Wolke über der Klinik schweben und ihre Befehle herunterlassen?

Jedenfalls hatte dies in der Vergangenheit den Anschein. In anderen Krankenhäusern gibt es Modellversuche, zu kollegialeren Leitungsstrukturen zu kommen. Obendrein könnten Chefärzte und Professoren befristet beschäftigt werden.

Ist in Ordnung. Alle Professorenstellen sollten befristet werden. Eine Miteinbeziehung von Pflegekräften in Entscheidungen, wie zum Beispiel die Aufstellung des Operationsplanes, gibt es hier schon lange. Beispielsweise hat der Chef der Urologie im Rahmen der internen Qualitätssicherung für eine konkrete Beschreibung sämtlicher Handlungsabläufe gesorgt.

Im AK Barmbek ist ein Vertrauensausschuß eingerichtet worden, an den Mitarbeiter ihre Beschwerden über vermeintlich falsche Patientenbehandlungen richten können, ohne berufliche Nachteile befürchten zu müssen, weil sie einen Vorgesetzten anschwärzen.

Es gibt die Dienstanweisung, daß mir als Ärztlichem Direktor schwerwiegende Fälle zu melden sind. Die Beschäftigten können diesbezüglich auf meine Diskretion vertrauen. Außerdem können sie sich seit dem Frühjahr an eine Kommission wenden, die aus dem Patientenfürsprecher und drei Professoren besteht. Ob da schon viel gelandet ist, weiß ich nicht.

Was hat sich darüber hinaus seit dem Strahlenskandal verändert?

Der Ruf des gesamten UKE ist durch die Berichterstattung in den Medien in nicht gerechtfertigter Weise angekratzt worden. Daraus resultiert für die rund 7000 Beschäftigten eine enorme Belastung. Dem ist ein Zusammenrücken der Mitarbeiter gefolgt. Die Idee eines Sternmarsches zum Rathaus, um sich gegen die allzu negative Darstellung des UKE zu wehren, ist leider nicht realisiert worden.

Teilen Sie die Auffassung, daß die Aufarbeitung der Vorkommnisse in der Strahlentherapie durch die Behörde gebremst worden ist? Viele Opfer warten noch heute auf eine Entschädigung.

Die Behörde hat für die Regulierung der Schadensfälle eine ganze Abteilung eingerichtet, weil das Volumen der Ansprüche sehr hoch geworden ist. Ich würde es vorziehen, Kritik zunächst behördenintern zu äußern.

Ist das einzelne Patientenschicksal hinter dem Politikum überhaupt noch erkennbar?

Oh ja. Das denke ich schon. Ich sehe auch nicht, wo das Politikum ist. Wir haben das Problem, daß die Strahlentherapie die behandelten Patienten bezüglich der Nachsorge nicht lückenlos verfolgen kann, weil sie von niedergelassenen Ärzten betreut werden. Obwohl wir diese Nachsorge verstärkt anbieten. Sie soll eines Tages Auskunft darüber geben, ob Schäden durch die Konzepte der Strahlentherapie entstanden sind und wie die Heilungschancen der Patienten sind, die nach diesen Methoden behandelt worden sind. Hierzu gibt es nach meiner Auffassung noch immer nicht genügend harte biologische Daten.

Fragen: Lisa Schönemann