Aufklärung nach politischen Vorgaben

■ Fall Oliver Neß: Schwere Vorwürfe gegen die Hamburger Staatsanwaltschaft

Im Zusammenhang mit den Ermittlungen wegen des Überfalls auf den Journalisten Oliver Neß durch Hamburger Polizeibeamte haben Anwälte, der GAL-Bürgerschaftsabgeordnete und „kritische Polizist“ Manfred Mahr sowie der Betroffene schwere Vorwürfe erhoben. Sie beschuldigten gestern die Anklagebehörde, den Fall nach „politischen Vorgaben“ abzuarbeiten.

Grund sind Pressemeldungen, daß der vermeintliche Hauptschläger, der Polizist Andreas V., nicht angeklagt werden soll (taz berichtete). Oliver Neß: „Der ist der erste, der auf mich zugekommen ist und mir wort- und grundlos mit der Faust ins Gesicht geschlagen hat.“ Der Journalist hatte bei dem Überfall am 30. Mai vorigen Jahres, während einer Kundgebung auf dem Gänsemarkt gegen den österreichischen Rechtsextremen Jörg Haider, einen Bänderriß erlitten.

Neß' Anwalt Manfred Getzmann hat bei Generalstaatsanwalt Arno Weinert Akteneinsicht beantragt. Getzmann: „Wir werden es nicht durchgehen lassen, daß Verfahren eingestellt werden, die nicht eingestellt werden dürfen.“

Als „rechtswidrig“ bezeichnete Manfred Mahr die Hausdurchsuchung bei dem Dokumentarfilmer Jörg K.. Am Mittwoch hatte das Dezernat Interne Ermittlungen (DIE) bei dem Filmer hundert Videokassetten als vermeintliches Beweismaterial beschlagnahmt (taz berichtete), obwohl Jörg K. beteuert hatte, gar nicht bei der Haider-Kundgebung gewesen zu sein. Oliver Neß ist über dieses Vorgehen entsetzt: „Statt die Täter zu ermitteln, werden die Zeugen terrorisiert.“

Denn bei der Sicherstellung von Polizeivideos zeige das DIE Zurückhaltung, ein Video sei deshalb bereits verschwunden. „Das zweite, das es mit Sicherheit gibt, wird immer noch von der Polizei verheimlicht“, so der Vorwurf. Bislang ist es Jörg K. nicht gelungen, das „irrtümlich“ beschlagnahmte Material wiederzubekommen. Die Staatsanwaltschaft kündigte gestern jedoch an, das Material zurückgeben zu wollen.

In diesem Zusammenhang forderte GALier Mahr Innensenator Hartmuth Wrocklage auf, die Polizeischläger mit dem Disziplinar- und Beamtenrecht zur Rechenschaft zu ziehen. „Vieles spricht dafür, daß Oliver Neß einem Teil der Beamten bekannt gewesen ist, und es sich somit um einen Racheakt gehandelt hat.“

Kai von Appen