Der Reiz des Fremden

■ Heute beginnt die Hammoniale, das Festival der Frauen, mit einem umfangreichen und weltumspannenden Programm

Das Motto der sechsten Hammoniale „Zwischen Welten“ ist denkbar allgemein. Betrachtet frau das opulente Tanz-, Theater-, Musik-, Literatur-, Kino- und Ausstellungsprogramm genauer, so wird sichtbar, daß das heute beginnende Fe-stival der Frauen entschieden auf den Reiz des Fremden setzt.

Die Tanzkultur Südasiens (Indien/Vietnam) bildet einen Schwerpunkt. Dabei werden die gegensätzlichen Pole des indischen Tanzes vorgestellt: Einmal ist der klassische Tanz mit seiner mehr als 2000jährigen Tradition vertreten, in dessen Zentrum die göttlichen Regeln stehen – Bharatanatyam –, dargeboten von der Solotänzerin Alarmel Valli aus Madras (24.–26. Mai).

Daneben zeigt das Ensemble der Choreographin Chandralekha menschliche Körperwelten von großer Intensität und Eindrücklichkeit – eine kongenial veränderte Adaption des klassischen Vorbilds (17./19.–23. Mai). Ganz anders hingegen die vietnamesische Compagnie Ea Sola – 14 ältere Tänzerinnen, begleitet von Musikern und Sängern, machen das entbehrungsreiche Landleben Vietnams tänzerisch eindringlich sichtbar: Secheresse et Pluie – Dürre und Regen. Drei indische Nächte (17./19./20. Mai), unterhaltsam durch Tanz und Gesang, laden zudem alle Vergnügungssüchtigen ein.

Das literarische Programm der Hammoniale wirkt diesmal eher randständig. Neben der Lesung der indischen Autorin Kamala Markandaya (29. Mai) werden im Literaturhaus direkt betroffene Frauen ihre Haltungen und Empfindungen zum gewaltsamen Zerfall Jugoslawiens vorstellen (30. Mai/1. Juni). Aber Literatur und Theater sind ja Geschwister: Die Mühle am Floß, einen Roman der englischen Schriftstellerin George Eliot, zeigt die Gruppe Shared Experience Theatre in einer eigenständigen Bühnenversion (18.–20. Mai), und die Texte der chilenischen Dichterin und Nobelpreisträgerin Gabriela Mistral sind in der einfühlsamen Vertonung des Komponisten Angel Parra zu hören (18. Mai).

Wie immer ist die Hammoniale ein Festival aller Sinne, so spielt auch der musikalische Teil des Programms eine gewichtige Rolle. Die Gesangsgeschichten des Quartetto vocale Giovanna Marini haben auch diesmal die kontrastreichen Lebenswelten ihrer italienischen Heimat zum Thema (26. Mai), die Sängerin Sema hingegen singt in ihrer türkischen Muttersprache Jazz (26. Mai).

Aus der Fülle des Hammoniale-Programms kann dies nur eine kleine Auswahl sein – ob aus der Fremdheit Funken schlagen, entscheidet nun das Publikum.

Frauke Hamann