piwik no script img

Studienräte sollen solidarisch bluten

■ Arbeitsplätze durch Umverteilung im öffentlichen Dienst

„Der öffentliche Dienst muß beschäftigungspolitisch wieder beispielgebend sein.“Hamburgs ÖTV-Boß Rolf Fritsch verkündete gestern zusammen mit dem Berliner Politologen Peter Grottian und GAL-Kandidat Willfried Maier eine Botschaft, die im Hamburger Wahlkampf bislang keine Rolle spielte: Die Arbeitslosigkeit kann durch Arbeitszeitverkürzung und -umverteilung im öffentlichen Dienst wirksam bekämpft werden.

Für Peter Grottian, sei zwölf Jahren beamteter Teilzeitprofessor, ist das Rezept einfach: Man nehme den 150.000 Hamburger Beschäftigten (80.000 im Staatsdienst, 20.000 in öffentlichen Unternehmen, 50.000 in öffentlichen Einrichtungen) Geld und Arbeitszeit weg und schaffe damit neue Arbeitsplätze. Sein „solidarisches Arbeitsumverteilungsmodell“sieht einen Tarifvertrag vor, der den Besserverdienenden (ab Studienrat) sieben Prozent Arbeit und Geld abknöpft, dem mittleren Dienst drei Prozent. Das eingesparte Geld soll zu 60 bis 70 Prozent der Finanzierung neuer Arbeitsplätze dienen – den Rest darf Finanzsenator Ortwin Runde zur Haushaltssanierung einstreichen. Das Ergebnis wären 5- bis 8000 neue Arbeitsplätze.

Grottian: „Der öffentliche Dienst ist heute eine Wagenburg, in der die 15- bis 25jährigen nicht mehr zugelassen werden.“Die Umsetzung seines Modells könnte entweder bundesweit einheitlich per Tarifvertrag oder durch entsprechende Öffnungsklauseln auch dezentral verwirklicht werden. Rolf Fritsch zeigte sich zwar skeptisch, ob ein derartiges Modell verpflichtenden Einkommensverzichts innerhalb der ÖTV durchsetzbar sei. Dennoch: „Ich werde versuchen, das zur zentralen Politik in der ÖTV zu machen.“Er setzt vorerst allerdings auf Freiwilligkeit. Das von der Hamburger ÖTV nach heftigen Mühen durchgesetzte Modell der Wahlarbeitszeit (freiwillig reduzierte Arbeitszeit wird zu 50 Prozent in neue Stellen umgesetzt) hat immerhin bereits jetzt 120 Teilnehmer – und 46 neue Arbeitsplätze. Florian Marten

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen