Mieter-Rausschmiß abgesegnet

Erster Hamburger Mietwucher-Prozeß: Der Vermieter bleibt straffrei, aber seinen MieterInnen wird er nun bald kündigen  ■ Von Marco Carini

Verrückte Justiz. Im ersten Hamburger Strafverfahren wegen Mietwucher war der Harburger Hausbesitzer Hans-Jürgen F. angeklagt, um 200 Prozent überhöhte Mieten von einem Mieter kassiert zu haben. Ein Vergehen, für das bis zu drei Jahre Haft oder eine saftige Geldstrafe verhängt werden können. Doch es kam anders: Der Harburger Amtsrichter Ulf Panzer stellte gestern das Verfahren gegen den Mietabzocker unter Auflagen ein. Dafür werden nun zwölf Mietparteien auf die Straße gesetzt.

Um einer Geldbuße zu entgehen, hatte Hans-Jürgen F. dem Gericht angeboten, von den in der Winsener Straße Nr. 44/44a wohnenden Mietern nur noch Betriebskosten zu kassieren, aber keine Miete mehr.

Dafür will der 55jährige Eigentümer den HausbewohnerInnen so schnell wie möglich kündigen. Wenn er in Zukunft keine überteuerten Mieten mehr nehmen dürfe, so hatte Hans-Jürgen F. argumentiert, lohne sich die Vermietung nicht mehr.

Im Wintergarten des heruntergekommenen Hauses einigten sich alle Prozeßparteien, den Vorschlag des Vermieters anzunehmen. Strafrichter Ulf Panzer verkündete der Öffentlichkeit seinen Einstellungsbeschluß nicht im Gerichtssaal, sondern auf den Eingangsstufen des Hauses. Mit der Zigarette in der Hand begründete der Jurist den Schiedsspruch so: „Herrn F. ist die Sache offensichtlich über den Kopf gewachsen, so daß seine Bestrafung nicht im Vordergrund stehen sollte.“Daß der Vermieter seine MieterInnen nicht zum Nulltarif wohnen lassen wird, ist Panzer bewußt: „Unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen wird Herr F. jetzt allen Bewohnern kündigen.“

Die Staatsanwaltschaft hatte sich gegen die Verfahrenseinstellung ursprünglich mit der Begründung gewehrt, daß „man doch kein Strafverfahren gegen einen Vermieter beenden kann, indem man alle Mieter rausschmeißt“. Mieter-Anwalt Ernst Medecke hingegen glaubt, daß eine Kündigung in frühestens „ein bis zwei Jahren“durchzusetzen sei und auch nur dann, wenn konkrete Pläne für den Umbau des Hauses zu Mietwohnungen vorliegt. Derzeit ist das Haus in 26 einzelne Zimmer aufgeteilt. Woher der nach eigenen Angaben hochverschuldete Vermieter das Geld für umfangreiche Umbauten nehmen will, bleibt unklar. Er lebt angeblich von der „Unterstützung durch Verwandte“und hat nach seinen Worten „weniger als 800 Mark im Monat“zur Verfügung.

Bereits im April 1996 hatte das Harburger Amtsgericht Hans-Jürgen F. verdonnert, an seinen Ex-Mieter Thomas Flechtner rund 2.000 Mark zuviel gezahlte Miete zurückzuzahlen. Ein neun Quadratmeter großes „Wohnklo“(O-Ton des Richters) hätte laut Gerichtsbeschluß höchstens für 134 Mark statt für 480 Mark vermietet werden dürfen.

Gestern holte Flechtners Anwalt Ernst Medecke noch 1.000 Mark Schmerzensgeld für seinen Mandanten raus. Nachdem Flechtner die Presse über die Wuchermieten informiert hatte, soll Hans-Jürgen F. ihn ins Gesicht geschlagen und anschließend gewürgt haben.