Bilden will gelernt sein

Nicht jeder, der auf dem Wachstumsmarkt Weiterbildung herumvagabundiert, ist auch ein seriöser Anbieter. Aber die Kontrolle nimmt zu  ■ Von Sabine Tillert

Weiterbildung boomt. Fast 300.000 Maßnahmen jährlich sind im Angebot – vom Sprachkurs bis zur Spezialfortbildung. Rund 90 Millionen Mark werden bewegt, und immer wird es ein bißchen mehr, denn nur wer sich fleißig weiterbildet, hat im heutigen Berufsleben überhaupt noch eine Chance – so zumindest tönt es von allen Seiten. Und so besuchen wir dann alle fleißig betriebliche Lehrgänge, Maßnahmen des Arbeitsamtes oder Kurse, die wir aus eigener Tasche zahlen, in der Hoffnung, unseren Marktwert zu verbessern.

Sicher, oft geht es wirklich nicht ohne professionelle Fortbildung – allein im Computerbereich hat Wissen heute nur noch eine Halbwertszeit von zwei bis drei Jahren. Doch diverse Weiterbildungskurse sind nichts anderes als Geldschneiderei. Anbieter, die auf dem Wissensmarkt eine schnelle Mark machen wollen und dafür den Teilnehmern wenig bis nichts bieten, gibt es immer wieder. Am Ende ist man dann häufig allenfalls um die Erfahrung reicher, daß dieser Kurs wohl nichts gebracht hat – außer Zeit- und Geldverschwendung.

In manchen Bundesländern gibt es wie in Bremen Weiterbildungsschutzgesetze. Dort wacht eine Behörde zumindest über die Qualität der Angebote im öffentlichen Sektor. Unberührt bleiben allerdings auch dort die privaten Anbieter – und gerade hier macht sich Wildwuchs breit. Völlig überbelegte Kurse, ständig wechselndes und schlecht qualifiziertes Lehrpersonal, schlechte Ausstattung oder Knebelverträge ohne ordentliche Rücktrittsklauseln sind nur einige Beispiele für miese Machenschaften.

In der Hansestadt Hamburg wurde 1994 eine bundesweit einmalige Qualitätskontrolle ins Leben gerufen, das sogenannte „Gütesiegel“ des Vereins „Weiterbildung Hamburg“. Hierbei handelt es sich um eine Art freiwillige Selbstkontrolle der Weiterbildungsanbieter. Von den insgesamt 400, die es insgesamt in Hamburg gibt, sind 180 Mitglied des Vereins, 160 von ihnen tragen das Gütesiegel, drei Viertel davon kommen aus dem Bereich der beruflichen Bildung.

Wer das Gütesiegel trägt, signalisiert nach außen, daß er bestimmte Standards erfüllt. Diese werden in einem 40 Punkte umfassenden Qualitätskatalog festgeschrieben. Nach Ansicht von Thomas Krüger, dem Geschäftsführer des Vereins „Weiterbildung Hamburg“, ist dieses selbstverwaltete „Hamburger Modell“ ein wichtiger Schritt hin zu mehr Qualität in der Weiterbildung.

Entzogen wurde das Gütesiegel bislang noch keinem Anbieter. Es habe aber, so Krüger, durchaus schon Fälle gegeben, in denen die Vergabe des Titels abgelehnt wurde. Mit dem jetzt anstehenden zweiten Überprüfungsdurchgang und mit der Überarbeitung der Qualitätskriterien könne er sich jedoch auch durchaus vorstellen, daß der eine oder andere Kursanbieter sein Gütesiegel abgeben muß.

Darüber hinaus bietet das Hamburger Modell auch eine Art Verbraucherschutz. Enttäuschte und erboste Kursteilnehmer können ihrem Ärger über ein Beschwerdetelefon (Tel. 040/28084622) Luft machen. Rund 80 ernstzunehmende Beschwerden laufen dort im Jahr ein. Dann „bemühen wir uns natürlich erst einmal um eine Lösung vor Ort“, sagt Thomas Krüger, „aber es kann durchaus auch zu einem Rechtsstreit kommen. Es ist einfach wichtig, daß die Anbieter merken: Die Leute lassen sich nicht mehr alles gefallen.“

Seit rund einem Jahr wird dieser Teilnehmerschutz verstärkt publik gemacht. Und siehe da: „Die schwarzen Schafe sind weniger geworden“, so Krüger. In der Zwischenzeit ist der Hamburger Experte in Sachen Teilnehmerschutz und Qualitätssicherung in ganz Deutschland unterwegs, um das „Hamburger Modell“ vorzustellen. Schleswig-Holstein und Niedersachsen wollen das Modell bereits übernehmen.

Allerdings ist eine freiwillige Selbstkontrolle nie frei von Kompromissen – viele unterschiedliche Interessen innerhalb des Vereins müssen unter einen Hut gebracht werden. Dies ist einer der Hauptkritikpunkte am „Hamburger Modell“ von Andreas Orru, dem Geschäftsführer der „Gesellschaft der Deutschen Wirtschaft zur Förderung und Zertifizierung von Qualitätssicherungssystemen in der beruflichen Bildung“, kurz „Certqua“, in Bonn. Diese Zertifizierungsstelle für den Bildungsbereich ist eine Service-Einrichtung der Spitzenorganisationen der Deutschen Wirtschaft. Qualitätskontrolle erfolgt hier aus unternehmerischer Perspektive: Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiter auf eine Fortbildung schicken, wollen sicher sein, daß sie ihr Geld sinnvoll, also gewinnbringend, investieren. Umgekehrt haben natürlich auch Bildungsträger mit einem „Certqua“-Zertifikat Wettbewerbsvorteile, weil sie, so Orru, „ihre Qualitätsfähigkeit nach außen belegen können“.

Bildungseinrichtungen, die sich um eine „Certqua“-Auszeichnung bemühen, müssen ein sogenanntes Qualitätsmanagementsystem einführen – also interne betriebliche Abläufe, die sich an bestimmten Qualitätskriterien orientieren. Diese Kriterien sind genormt und heißen DIN EN ISO 9000. Ursprünglich stammt diese Qualitätsnorm aus dem internationalen Fertigungsbereich. Seit einiger Zeit wird sie auch im Dienstleistungs- und Bildungsbereich angewandt. Mit Hilfe der europäischen DIN- Norm werden die Bildungseinrichtungen von der unabhängigen Zertifizierungsstelle Certqua auf Entwicklung, Durchführung und Evaluierung abgeklopft. Dafür sind derzeit rund 85 hochqualifizierte „Zertifizierer“ bundesweit im Einsatz – ein Vorgang, der sich hochtechnokratisch anhört, aber offenbar sehr effizient ist. ISO 9000 läßt eben keinen Raum für Kompromisse, und in Zukunft wird es wohl heißen: Weiterbildung – ja sicher, aber bitte nach DIN-Norm.