Öko-Energiebündel ans Netz

■ Bewag nimmt das "modernste und umweltschonendste Kraftwerk Deutschlands" in Betrieb. Extrem hoher Wirkungsgrad, stark reduzierter Kohlendioxidausstoß

Proteste gab es nur draußen: Da standen 2.000 ArbeiterInnen und Angestellte der Bewag und forderten die Zusicherung, daß es beim Energieversorger keine betriebsbedingten Kündigungen geben werde. Im neuen Heizkraftwerk Mitte an der Köpenicker Straße dagegen waren die geladenen Premierengäste bester Stimmung. Selbst die ansonsten schärfsten Kritiker der Bewag ließen sich gutgelaunt das Essen im VIP-Zelt schmecken.

Kein Wunder: Denn kurz zuvor hatte Bundespräsident Roman Herzog mit dem obligatorischen Druck auf den roten Knopf den Betrieb des „fortschrittlichsten und umweltfreundlichsten“ Kraftwerks in Deutschland freigegeben. Auf dem Gelände des alten Heizwerks hat die Bewag in vier Jahren für 600 Millionen Mark ein „kombiniertes Gas- und Dampfturbinenkraftwerk“ (GuD) errichtet – der letzte Schrei für ressourcenschonende, wirtschaftliche und umweltfreundliche Energieversorgung einer Großstadt. Das Kraftwerk kann mit jeweils 350 Megawatt Leistung für Strom und Wärme 60.000 Haushalte, 500 öffentliche Gebäude und die neuen Zentren am Potsdamer und Leipziger Platz versorgen.

Auch Ökologen sind von den GuD-Kraftwerken begeistert: Denn die eingesetzte Energie, hauptsächlich russisches Erdgas oder ersatzweise Öl, wird bei geringer Belastung der Umwelt zu fast 90 Prozent ausgenutzt, andere Kraftwerke schaffen nur etwa 60 Prozent Wirkungsgrad. Im Heizwerk Mitte dagegen wird die Energie dreifach genutzt: Zuerst wird mit 1.100 Grad heißem Gas eine Turbine angetrieben, die Strom erzeugt. Mit dem auf 500 Grad abgekühlten Gas wird danach ein Wasserkessel erhitzt, dessen Dampf wiederum über eine Turbine Strom erzeugt. In einer dritten Stufe wird die restliche Energie in einem Wärmetauscher dazu benutzt, Wasser zu erhitzen und als Fernwärme zum Heizen in die Wohnungen der Umgebung zu schicken. Und der Neubau ist wesentlich leiser als das alte Kraftwerk, das an gleicher Stelle 30 Jahre lang brummte.

Auch die Luft profitiert, so der Vorstandsvorsitzende der Bewag, Dietmar Winje. Bei der Befeuerung mit Erdgas werde „kein Staub an die Luft abgegeben und so gut wie kein Schwefeldioxid“. Auch der Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid verringere sich um knapp eine Million Tonnen im Jahr. Besonders stolz sind die Kraftwerker auch auf die Kunst am Bau: Unter anderem installierte die türkische Künstlerin Ayse Erkmen vor dem Gebäude beheizte Parkbänke auf der Uferpromenade an der Spree.

Für die Bewag ist die Millioneninvestition auch ein Schachzug, um „international wettbewerbsfähig zu bleiben“, erklärte Winje. Schließlich droht der europäische Strommarkt und billiger Importstrom. Neben dem geplanten Abbau von Kapazitäten um 30 Prozent und dem Abbau der Belegschaft von 20 Prozent gehört zu den Gegenmaßnahmen auch dieses wirtschaftliche Heizkraftwerk, denn GuD-Kraftwerke brauchen nur noch etwa 20 Prozent der Belegschaft eines konventionellen Kohlekraftwerks. Insofern hatte sich die ÖTV den richtigen Ort zum Demonstrieren ausgesucht. Bernhard Pötter

Heute ist Tag der offenen Tür: 10 bis 18 Uhr, Köpenicker Str. 59-73