Die Polizei als Freund und Helfer

Das neue bündnisgrüne Sicherheitskonzept: Waffentragende Polizisten sollen zu freundlichen Kiezcops mutieren. Sicherheit ist „zivilgesellschaftliche Aufgabe“. Prävention gefordert  ■ Von Christian Füller

Die Bündnisgrünen wollen ein anderes Grün auf den Straßen. Nicht mehr der uniformierte, waffentragende Polizist soll das subjektive Sicherheitsgefühl der BürgerInnen verbessern. Der Möchtegern-Regierungspartei einer rot- grünen Koalition schwebt eine Art administrativer Streetworker vor. „Wir wollen sozial kompetente, kontaktfreudige und gut bezahlte Polizeibeamte“, skizzierte Parteisprecher Jürgen Trittin gestern in Berlin den Wunschtypus bündnisgrüner Sicherheitspolitik. Aus dem verhaßten Bullen soll der freundliche Kiezcop mit Name und Gesicht werden. Die bündnisgrüne Bullen-Metamorphose ist eine Trotzreaktion auf die seit Monaten schwelende „Kriminalitätsdebatte“ und die Schrödersche Stammtischthese „Kriminelle Ausländer raus“. Die ehemaligen Ökopaxe beschäftigen sich mit dem Einstellungswandel der Polizei erst unter dem letzten ihres acht Punkte zählenden „alternativen Sicherheitskonzepts“. „Wer Kriminalität verhüten will“, begründet die Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratie und Recht, Renate Künast, „muß erst einmal präventiv tätig werden.“ Nach der Polizei dürfe erst dann gerufen werden, wenn alles andere nicht greifen würde, sagte Künast, die das Papier verfaßt hat.

Der grüne Maßnahmenkatalog reicht dementsprechend von Präventionsräten über die „Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit“ bis hin zu einer anderen Drogenpolitik. Diebstahlsdelikte an Autos und Wohnungen, meinte Jürgen Trittin, seien in Großstädten um 20 bis 40 Prozent zu senken, „wenn man die gescheiterte Drogenpolitik aufgibt“. Selbst mancher Polizeipräsident gebe inzwischen zu, daß es Quatsch sei, Drogenabhängige wie Kriminelle zu behandeln. Mit Substitutionsprogrammen sei die Beschaffungskriminalität (Diebstähle durch Junkies für den täglichen Schuß) wirksamer zu bekämpfen. „Das ist besser, als die Polizei zur Hanfernte über die Dächer Berliner Altbauten zu schicken“, spielte Parteisprecher Trittin auf die mit großem Polizeiaufwand veranstalteten Haschischrazzien an.

Besonderes Augenmerk richten die Bündnisgrünen auf die Präventionsräte. Sie sind das zivilgesellschaftliche Kernstück des Sicherheitskonzepts, mit dem die Grünen in den 98er Bundestagswahlkampf gehen wollen. Ausgehend von guten Erfahrungen in Lübeck und Neumünster sollen sich Interessierte und Betroffene mit der Polizei zusammensetzen, um örtliche Kriminalitätsbrandherde zu analysieren – und vorsorglich zu löschen. Anwohner, Geschäftsleute, Vereinsmitglieder und Kommunalpolitiker dürften dabei jedoch nicht die Rolle von Hilfpolizisten spielen. „Der Bürger ist nicht Wurmfortsatz von Polizei und Justiz“, sagte Renate Künast. Am runden Tisch Sicherheit in Kiez oder Stadtbezirk müßten der Bürgermeister und die Experten aus dem Wohnumfeld das Sagen haben.

Künast und Trittin bemühten sich, das grüne Sicherheitskonzept anders zu akzentuieren als die Präventionsideen der gängigen Polizeipolitik. „Der alte Kontaktbereichsbeamte hatte eine Kontrollfunktion“, betonte Renate Künast. Der bündnisgrüne Kiezcop solle das nie durchgesetzte Bild des Polizisten als „dein Freund und Helfer“ endlich verwirklichen helfen. Dazu sei eine „ganz andere Ausbildung“ der Beamten notwendig.

Auch mit den Thesen des ehemaligen New Yorker Polizeichefs William Bratton wollen die Grünen nichts zu tun haben. Bratton habe die sogenannte „broken windows“-Theorie (Verwahrlosung erzeugt Kriminalität) zu einem reinen Polizeikonzept verkürzt. Die Bündnisgrünen betrachten aber Sicherheit nicht als „Domäne von Polizei und Justiz“, sondern als Produkt des Zusammenwirkens von BürgerInnen auf der einen Seite sowie von Polizei und Justiz auf der anderen Seite. Es sei ein Trugschluß, sagte Jürgen Trittin, „daß die repressive Unterdrückung von abweichendem Verhalten“ Sicherheit schaffe.