„Demokratie verträgt Differenz“

■ Rosi Wolf-Almanasreh, die Leiterin des Frankfurter Amtes für multikulturelle Angelegenheiten, zur Kleiderordnung in der Schule

taz: Kopftuchträgerinnen im Schuldienst, geht das?

Wolf-Almanasreh: Unsere Verfassung garantiert die freie Ausübung der Religion. Ich erwarte von erwachsenen Menschen, daß sie damit umgehen können. Gerade für Konvertiten auf der Suche nach ihrer Identität sind solche äußeren Zeichen wichtig. Wir tun gut daran, das zu respektieren. Aber Symbole haben eine Bedeutung und können Emotionen auslösen.

Kopftücher sind aber doch auch im christlichen Abendland nicht ganz so fremd als modisches Accessoire.

Das haben wir uns Anfang der achtziger Jahre auch gefragt. Warum ist das eine bedrohlich und das andere schick? Wir haben während der Römerberggespräche zum Thema Diskriminierung überlegt, ob wir als Türkinnen verkleidet auf das Podium gehen. Da hatten wir dann aber Angst, daß die Deutschen das kapieren, Türkinnen es aber mißverstehen könnten. So sind wir in Schwälmer Tracht aufgetreten, mit Dutt, diesen unförmigen Unterröcken und Schnallenschuhen. Das hat bei den Intellektuellen Schrecken ausgelöst, weil sie mit der Tracht die Gesinnung assoziiert haben.

Welche?

Zumindest eine rückständige. Beim Kopftuch kommt dazu, daß es hier Armut suggeriert, die unseren Wohlstand bedroht und mit der wir nicht konfrontiert werden wollen. Kopftücher stellen außerdem unsere Religiosität infrage; da bekennt sich jemand äußerlich zu seinem Glauben. Das zeigt, was uns fehlt und macht allemal aggressiv. Und dann kommt auch noch die reale Furcht vor dem Fundamentalismus dazu. Die kann ich verstehen. Aber das kann nicht dazu führen, daß wir die Religion statt der Politik verfolgen. Auch an der Kleiderordnung zeigt sich die Demokratie. Strikte Reglementierungen sind immer ein Hinweis auf totalitäre Regimes. Wir sollten uns das nicht antun, die Demokratie verträgt die Differenz.

Das hessische Kultusministerium sieht das Kopftuch bei Lehrerinnen aber als Politikum.

Die sind vielleicht noch beeinflußt von Frankreich, wo diese Debatte wirklich eine politische Geschichte war. Da haben fundamentalistische algerische Gruppen ihre Kinder organisiert so in die Schule geschickt, um den Staat zu provozieren. Hier aber handelt es sich solange um Zeichen persönlicher Gläubigkeit, solange sie nicht andere indoktrinieren will.

Und das Kruzifix-Urteil?

Das war in Ordnung. Aber da ging es nicht um Hut oder Stehkragen. Ich unterscheide zwischen einer öffentlichen Wand im Klassenzimmer und einer individuellen Haltung. Dazu gehören auch das Kreuz und der Davidstern am Kettchen.