Mord im Rathaus

Teil 5 des Enthüllungsromans: Der „Hamburger Leichenskandal“erregt die Nation  ■ Von Silke Mertins

Was bisher geschah: Die Frauenleiche im Bürgermeisteramtszimmer gibt der Nation Rätsel auf. Panisch verbrachte die SPD die Leiche ins Büro von CDU-Spitzenkandidat Ole von Schneutz(*). Im Kalender der Toten tauchen Bürgermeister Henning Vroscherau und GAL-ierin Christa Steger auf. Beide verschaffen sich unbefugten Zutritt zur der Firma, in der die Tote arbeitete. Sie finden mysteriöse Unterlagen.

Die Schlagzeilen waren fürchterlich. Und der Erste Bürgermeister Henning Vroscherau tobte. Alle gaben ihren verdammten Senf dazu, wie dem „Hamburger Leichenskandal“beizukommen sei. Der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schnöder (SPD) sagte in der Blöd: „Kriminelle Leichen müssen raus, und zwar schnell.“Genossin Heidi Salmonis, Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, vertrat im Nachrichtenmagazin Lokus die Ansicht, daß nur ein Aufklärungsbefürworter SPD-Kanzlerkandidat werden könne. Bundeskanzler Helmut Hohl (CDU) schlußfolgerte in den tagesschemen, daß die SPD mit ihrer Blockade-Politik über Leichen gehe.

Was für ein Desaster. Die Umfrageergebnisse der SPD sanken und sanken, während die der Pogo-Partei („Asoziale an die Macht“) die 30-Prozent-Marke überwunden hatten. „Für den Sprung in die Bürgerschaft reicht es für uns allemal“, beruhigte Finanzsenator Ortwin Wunde. Hauptsache, Vroscherau werde man dabei los. Bevor er zu einem längeren Monolog über Wahlchancen und Risiken ausholen konnte, schickte ihn Stadtentwicklungssenator Hirow – genannt Thomas, der Retter – mit der Stadtkasse in den Schlemmermarkt zum Bierholen. „Ratsherrn, versteht sich.“Die Anwesenden würgten kurz, nickten aber dann ergeben.

GAL-Spitzenkandidatin Christa Steger kam herein und teilte mit, daß das Horoskop heute günstig stehe. Für Vroscherau habe sie darüber hinaus eine Tarotkarte gezogen. Es sei leider „Der Tod“gewesen, was so schlimm aber auch wieder nicht sei, denn die Karte stehe für eine grundsätzliche Erneuerung. „Ich will keine Erneuerung, ich will die absolute Mehrheit“, nörgelte der Stadtchef. Und deswegen müsse er diesen Mord aufklären.

Ganz oben auf der Terminliste für heute stand Innensenator Hartmuth Schocklage (SPD), der zusammen mit dem Cheffahnder, Kommissar Wolfgang Langenstädter, den neuesten Ermittlungsstand vorzutragen hatte. „Die Leiche wurde erdrosselt, Spuren sexuellen Mißbrauchs sind nicht zu finden. Die Tote heißt Elke Heuer, ist 33 Jahre alt, ledig und Buchhalterin. In ihrer Wohnung wurde etwas gesucht, auch in ihrer Firma wurde eingebrochen. Was, wissen wir nicht.“

Aber Vroscherau, Steger und Hirow wußten es. Auch Senatssprecher Franz Groß war ein Mitwisser. Er war dem Trio in den Hafen gefolgt, um „Schwierigkeiten vom Bürgermeister abzuwenden“. Man nickte Schocklage samt Kommissar zu. Die beiden durften abtreten.

Angestrengt beugten sich nun alle über die Hafenpläne und versuchten mit Linealen die Kaimauern abzumessen. Irgendwo hier mußte die Lösung verborgen sein. Thomas, der Retter mußte seine beiden Zöglinge Vroscherau und Steger schon wieder zurechtweisen, weil die sich um das längste Lineal zankten.

Finanzsenator Wunde kam herein, seine Nase glänzte in sozialdemokratischem Rot. Er stellte mehrere SixPacks Ratsherrn auf den Tisch. Sein Trinkspruch: „Lasset die Zahlen zu mir kommen.“Flugs schaute er die Rechnungen durch und kam souverän zu dem Schluß, daß „die Firma Graber & Söhne stets ein bißchen zuviel Kaimauer abgerechnet hat. Hier einen halben, dort einen Meter – der Gewinn dürfte in die Millionen gehen.“

Fortsetzung am Donnerstag

(*) Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen sind natürlich rein zufällig und vollkommen unbeabsichtigt.