: Ein Interview mit Honne Dohrmann, einem der Projektleiter von „Prisma 3“/ Von Marijke Gerwin Marijke Gerwin unterhielt sich für die taz mit dem Leiter des Prisma-Projekts Honne Dohrmann über seine Veranstaltung, neue Programmschwerpunkte und den alten Streit zwischen Kunst und kommerziellen Erwartungen
Das diesjährige Festivalprogramm wirkt sehr bunt. Gibt es trotzdem so etwas wie einen thematischen Faden?
Der Auslöser für dieses Festival war eigentlich, daß wir auf einem Tanzfestival in Spanien waren und festgestellt haben: Man kann überhaupt nicht mehr unterscheiden - . kommt eine Produktion aus Finnland oder aus Portugal? Denn alle machen nur noch das, von dem sie denken, daß es sich gerade am Markt gut verkauft. Darum haben wir Künstler eingeladen, die ungeachtet dessen, was wirtschaftlich gerade opportun wäre, an ihrem künstlerischen Konzept festgehalten haben und dadurch zu einem sehr eigenen Stil gekommen sind. Die haben wirklich Risiken auf sich genommen, um ihre persönliche Aussage rüberzubringen. Und die wollen wir unterstützen.
Trotzdem irritiert es etwas, denn Euer zweites Festival zu Osteuropa hatte ja gerade aufgrund eines klar definierten Schwerpunktes diese Dichte und diesen Erfolg. Legitimiert der an sich eine Fortführung des Festivals in Reihe, obwohl es vielleicht diese starke Strömung, die Profile bilden kann, nicht mehr gibt?
Im Grunde hat auch dieses Festival einen politischen Hintergrund. Beim ersten war es der interkulturelle Aspekt, beim zweiten die Maueröffnung. Dieses Jahr ist es der, daß durch die politische und wirtschaftliche Entwicklung auch die Kulturförderung immer schwieriger, daß der Markt für Künstler enger geworden ist. Von daher hat das Programm an sich eine Kontinuität. Und ich glaube, die Berechtigung, das auch zu zeigen, die gibt es allemal. Denn selten können wir noch künstlerisch radikale Produktionen zeigen, weil auch wir in solchen Zwängen stecken, als ein Haus, das finanziell auf der Kippe steht. Da müssen wir uns überlegen: Machen wir die Fete, die Geld einbringt, oder zeigen wir eher eigenwillige Kunst, die gegen den Mainstream geht. Die braucht einfach auch ein Forum, sonst sehen wir irgendwann nur noch Instant-Shows.
Welche Beispiele dafür gibt es im Programm?
Eigentlich sind alle Teilnehmenden Beispiele dafür. Z. B. Liat Dror & Nir Ben Gali Company aus Israel machen Tanztheater, das qualitativ sehr gut ist, das sich inhaltlich aber auch immer wieder an gesellschaftlichen und politischen Themen orientiert. Wenn man heute in Israel ein Tanztheaterstück macht, das die Rolle Israels in Frage stellt, gerade im Umgang mit den Palästinensern, dann hat das einen explosiven Charakter. Und das zu machen, erfordert Mut, denn auch die müssen im nächsten Jahr gefördert werden.
La Strada ist die einzige osteuropäische Produktion dieses Jahr. Osteuropa war ja lange Zeit Euer Kooperationsschwerpunkt und man kennt in Oldenburg diese Ästhetik. Worauf können wir jetzt gespannt sein?
La Strada ist eigentlich eine Avantgarde ganz anderer Qualität. Das ist ein in Bulgarien populäres Stück, das starke Elemente von bildender Kunst, Theater und Clownerie mit Jazz-Musik verbindet. Hier ist es nicht in erster Linie die ästhetische Kombination dieser verschiedenen Kunstrichtungen, sondern der Hintergrund der Gruppe, die nämlich aus renommierten Künstlern besteht. Das muß man sich so vorstellen, als wenn Bruno Ganz und Freunde aus der Schaubühne in Berlin aussteigen und in einem Hinterhoftheater von vorne anfangen, mit einem ganz neuen ästhetischen Ansatz. Sie waren das erste freie Theater in Bulgarien und haben sich gefunden, um diese Sachen machen zu können, die sie an den staatlich gleichgeschalteten Theatern nicht machen konnten.
Euer Rahmenprogramm war immer sehr erfrischend ...
Wir haben die Absicht, daß das Ganze auch ein Fest sein soll. Wir haben Clubmusiker aus Großstädten nach Oldenburg eingeladen, die hier in Late-Night-Shows ihre Konzerte geben. Aber auch Künstler aus der Region werden eingebunden, denn ich finde, es hat sich in den letzten Jahren kulturell doch eine Menge getan. Außerdem gibt es noch einen Workshop mit internationalen Künstlern, mit Leuten, die ihre eigene Schule entwickelt haben, wie zum Beispiel mit dem bösen Komiker Leo Bassi oder der spanischen Sängerin Sol Picó.
Vielen Dank für das Gespräch.
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