■ Bosnien: Die Wahlen wecken Hoffnungen auf Rückkehr
: Hunger nach Heimat

Obwohl die Ergebnisse der Kommunalwahlen in Bosnien noch nicht vorliegen, steht ein Sieger schon jetzt fest: die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Und der Sieger feiert sich. Von einem Erfolg, einem ersten Schritt in Richtung eines dauerhaften Friedens ist da in euphorischen OSZE-Stellungnahmen zu lesen. Zugegeben: Die Tatsache, daß die Wahlen nicht von gewalttätigen Aktionen überschattet waren, Flüchtlinge nicht in großem Maßstab an der Stimmabgabe gehindert wurden und nicht zuletzt über 80 Prozent der registrierten Wähler abgestimmt haben, kann als positives Ergebnis verbucht werden.

Was aber sowohl die Funktion der Wahlen als auch die Motivation der Wähler angeht, wird man der Einschätzung der westlichen Beobachter, selbst bei allergrößtem Wohlwollen, nur schwerlich zustimmen können. Es mutet merkwürdig an, daß OSZE-Sprecher Robert Frowick die Wahlen nachträglich als Mittel, die ethnischen Trennungen zu überwinden, zu verkaufen versucht. Gedächtnisschwund oder erfolgreiche Verdrängung? Schließlich mußte die OSZE erst einmal die Wählerlisten im ethnischen Sinne „nachbessern“, um einen drohenden Boykott der größten Parteien abzuwenden und damit die Wahlen möglich zu machen. Wahlen, in denen es weniger darum ging, Gemeindevertreter, die sich um die Verlegung von Wasserleitungen kümmern, mit einem Mandat auszustatten, als vielmehr Repräsentanten einer bestimmten ethnischen Gruppe zur Macht zur verhelfen.

Und gerade deshalb war es wohl weniger „der Hunger nach Demokratie“, wie die OSZE zu wissen glaubt, als vielmehr der Hunger nach Heimat, der vor allem die Flüchtlinge an die Urnen trieb. Für sie ist die Abgabe ihrer Stimme gleichbedeutend mit der Hoffnung auf ein Rückfahrticket in ihre früheren Wohnorte. Dementsprechend hoch sind auch die Erwartungen. Das sollte auch der Westen wissen. Einem Boykott der Arbeit in den lokalen Vertretungen, wie vom Serben Momčilo Krajišnik im bosnischen Staatspräsidium vorgemacht, kann vielleicht noch mit der Drohung, Hilfszahlungen zu stoppen, begegnet werden. Doch ob damit auch den Flüchtlingen die Rückkehr ermöglicht wird, ist mehr als fraglich. Deshalb wird sich die internationale Staatengemeinschaft ganz schnell etwas einfallen lassen müssen. Denn die Rechnung „Hauptsache abgestimmt, der Rest kommt dann schon“ geht in Bosnien nicht auf. Barbara Oertel