Hoffnung in Bosnien

■ Nach den Wahlen müssen sich die neuen Gemeindevertreter arrangieren. Auch die Flüchtlingsfrage muß geklärt werden

Sarajevo (taz) – „Erleichtert und erfreut“ sind die Mitglieder der Internationalen Institutionen über den Ablauf der Kommunalwahlen in Bosnien-Herzegowina. Die hohe Wahlbeteiligung von bis zu 90 Prozent kam auch deshalb zustande, weil die unterschiedlichen internationalen Organisationen an einem Strang gezogen haben. Reibungslos verlief die Kooperation der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) mit den SFOR- Truppen und der Internationalen Polizei IPTF.

Alle Zufahrtswege zu den Wahllokalen waren von den SFOR-Truppen gesichert. An jeder größeren Kreuzung standen Panzer oder Mannschaftswagen der internationalen Streitkräfte. Internationale Polizisten begleiteten die Busse jener Vertriebenen, die an ihren Heimatorten wählen wollten. Das Land war überzogen von Beobachtern, die jede Störung an die Zentralen meldeten. Die perfekte Organisation hat sicher dazu beigetragen, daß größere Zwischenfälle ausgeblieben sind.

David Foley, der Sprecher der OSZE, sieht, aller Kritik zum Trotz, als das wichtigste Ergebnis der Wahl an, daß ein „demokratischer Prozeß gestartet wurde“. Wenn in allen Gemeindeparlamenten die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen wieder beieinandersitzen, miteinander diskutieren, verhandeln, würde sich die Atmosphäre allgemein verbessern.

Als besonders markantes Beispiel wird von Beobachtern Srebrenica angeführt, wo etwa gleich viele serbische und muslimische Stimmen abgegeben wurden. Im neuen Gemeinderat müßte auch über die Rückkehr der muslimischen Vertriebenen verhandelt werden. Wenn Gemeinden an der Blockade festhielten, könnten sie von der internationalen Wiederaufbauhilfe ausgeschlossen werden. Da es sich dabei um Summen in Milliardenhöhe handelt, würde ein erheblicher Druck entstehen, Kompromisse zu schließen.

Nicht wenige Kompromisse waren auch schon vor den Wahlen vonnöten. Es wurden Verhandlungen geführt, um einen ruhigen Ablauf zu sichern. Nach den Boykottdrohungen der Führungen der serbischen und kroatischen Extremistenparteien SDS in Pale und der HDZ in Mostar wurde zwar von den Sprechern der OSZE ständig erklärt, man lasse sich nicht erpressen, doch wurden Konzessionen gemacht, um den jeweiligen Parteien entgegenzukommen.

In Mostar wurde gegenüber der kroatischen nationalistischen Partei HDZ bei dem Status des zentralen, multikulturell ausgerichteten Bezirkes nachgegeben. Deren Bürger durften plötzlich nicht mehr in ihrem Bezirk wählen, sondern mußten in einem der sechs anderen, durch nationale Mehrheiten bestimmten, Bezirke abstimmen, was zu chaotischen Zuständen am Wahltag führte.

Kritik forderte auch heraus, daß in der serbisch kontrollierten Stadt Brčko 2.660 Registrierungen, die als ungültig erklärt worden waren, offenbar auf Druck aus Pale wieder zugelassen wurden. Für den künftigen Status der Stadt könnte durch diese Manipulation eine Vorentscheidung gefallen sein. Anfang des nächsten Jahres soll entschieden werden, ob Brčko in der Republika Srpska bleibt oder der muslimisch-kroatischen Föderation angeschlossen wird.

In Brčko entscheidet sich, ob die Teilung des Landes in die Föderation und die Republika Srpska zu einem Dauerzustand wird oder nicht. Verlören die Serben Brčko, fiele die Republika Srpska in zwei Teile auseinander. Deshalb unternahm die serbische Seite alle Anstrengungen, in der einstmals vor allem durch Muslime und Kroaten bewohnten Stadt eine für sie günstige Entscheidung zu erlangen.

Schon bei den Wahlen 1996 gelang es der serbischen Führung, im Wahlgesetz zu verankern, daß Flüchtlinge nicht an den Heimatorten, sondern auch in den neuen Wohnorten wählen dürften. Indem vor dem Stichtag 31. Juli 1996 Tausende serbische Flüchtlinge in die Stadt kamen, wurden Fakten geschaffen. Außerdem wurde die ehemalige Gemeinde Brčko in zwei Teile aufgesplittet. Nur die im serbisch kontrollierten Gebiet liegenden Teile gelten für die OSZE als Gemeinde Brčko. Deshalb war es 10.000 Muslimen verwehrt, für die Kommunalwahlen in Brčko registriert zu werden. Nur die muslimischen und kroatischen Vertriebenen aus dem serbisch kontrollierten Stadtgebiet durften wählen. So rechnet man jetzt mit einer serbischen Mehrheit. Auf Kritik stieß überdies, daß in Pale Plakate mit dem Konterfei Karadžić' auftauchten. Nach den bisher geltenden Regeln müßte die SDS deshalb von den Wahlen ausgeschlossen werden. Erich Rathfelder