Wieviel Kritik verträgt der Name Mandela?

■ Ein neues Buch schildert, wie Winnie Mandela in Südafrika eigenhändig mordete und wie Nelson Mandela den Augenzeugen im Ausland verschwinden ließ

Berlin (taz) – Ein 27jähriger schwarzer Südafrikaner im Exil, von Haft und Folter gekennzeichnet, erschüttert derzeit die Grundfesten des „neuen Südafrika“. Diesen Eindruck erwecken zumindest einige Reaktionen auf das Buch „Katiza's Journey“ des britischen Journalisten Fred Bridgland, das vor einer Woche in Südafrika und Großbritannien erschien und seit gestern auch in Deutschland unter dem Titel „Katizas Reise“ zu haben ist.

Auf 300 Seiten zeichnet Bridgland die Lebensgeschichte von Katiza Cebekhulu auf, als Teenager Mitglied von Winnie Mandelas Schutztruppe „Mandela United Football Club“ in Soweto, der Ende 1988 nach eigenen Angaben mitansah, wie Nelson Mandelas Frau den des Verrats bezichtigten 14jährigen Stompie Moeketsi bestialisch zu Tode folterte. Winnie Mandela, so Autor Fred Bridgland unter Berufung auf Katiza, peitschte Stompie eigenhändig aus, „bis die Nilpferdpeitsche auseinanderfiel“; dann ließ sie ihn von ihrem Arzt Abu-Baker Asvat untersuchen und tötete ihn schließlich mit einem spitzen Gegenstand. Dr. Asvat, so Bridgland, wurde einen Monat später in seiner Praxis in Winnies Auftrag ermordet.

Der Tod Stompies erregte schon damals Aufsehen in Südafrika. Neu ist nun aber die Geschichte des Belastungszeugen Katiza, der 1990 in den Untergrund ging, weil er um sein Leben fürchtete. Nach einem gescheiterten Versuch des „Fußballklubs“, ihn zu ermorden, nahm er 1991 im ANC-Hauptquartier in Johannesburg Winnie Mandelas Angebot eines Exils in Swasiland an. Er wurde statt dessen nach Sambia gebracht und dort auf persönliche Bitte Nelson Mandelas hin ins Gefängnis gesteckt.

Dort fanden ihn schließlich die britische Tory-Abgeordnete Emma Nicholson und der Journalist Bridgland. Die britische Regierung unter John Major lehnte Asyl für ihn ab, mit der Begründung, Katizas Sicherheit vor dem ANC sei so schwer zu gewährleisten wie der Schutz Salman Rushdies. Der Südafrikaner kam statt dessen nach Sierra Leone und konnte Großbritannien nur streng geheim besuchen, wo er Fred Bridgland seine Geschichte erzählte.

Seit der Buchveröffentlichung parallel zu einem BBC-Fernsehbeitrag hagelt es in Südafrika Protest. ANC-Frauenligapräsidentin Winnie Mandela, inzwischen vom Präsidenten geschieden, sprach von einem Versuch, ihre Karriere zu zerstören, und verlangte eine öffentliche Anhörung vor der Wahrheitskommission. Die Anhörung wird es nächste Woche geben – aber hinter verschlossenen Türen, des Zeugenschutzes wegen. Ein ehemaliger Anhänger Winnie Mandelas hat gesagt, es gebe mehr als 15 Belastungszeugen gegen sie.

Unklar ist, ob Katiza Cebekhulu selber aussagen wird. Der Haftbefehl gegen ihn wurde erst am Donnerstag aufgehoben. „Für Winnie Mandelas Anhänger war und ist Katiza Cebekhulu seit 1991 ein Verräter, den es gilt, mit allen Mitteln ... zum Schweigen zu bringen“, schreibt die mittlerweile zu den Liberalen gewechselte Emma Nicholson in ihrem Vorwort zu Bridglands Buch. Am Wochenende beschloß die ANC-Frauenliga, Winnie Mandela beim kommenden ANC-Parteitag für die Parteiführung vorzuschlagen.

Für Südafrika ungewohnt ist, daß Nelson Mandela erstmals als direkter Komplize der Vertuschung eines Verbrechens dasteht. Der Präsident selber will das Buch erst lesen, bevor er sich äußert. Aber die neue Debatte wirkt wie ein Dammbruch. Der Tod von Winnie Mandelas Arzt kommt wieder in die Diskussion, und der wegen des Stompie-Mordes einsitzende ehemalige „Trainer“ des Mandela-Fußballklubs, Jerry Richardson, will weitere Auftragsmorde von Winnie enthüllen. Dominic Johnson