Bremens Finanzsenator tritt zurück

■ Ulrich Nölle gibt gesundheitliche Gründe für seinen Rückzug an. CDU-Spitzenmann war jedoch nicht unumstritten

Bremen (taz) – Bremens Finanzsenator Ulrich Nölle (CDU) ist gestern überraschend zurückgetreten. Als Grund nannte der stellvertretende Regierungschef und Spitzenmann der CDU in der Großen Koalition vor allem gesundheitliche Gründe. Nölle leidet an Borreliose, einer durch Zeckenbisse übertragenen hartnäckigen Virusinfektion. Dennoch hat Nölles Rücktritt auch politische Ursachen: In den vergangenen Wochen war der populäre Nölle wegen seines angeblichen „Schmusekurses“ mit dem Koalitionspartner SPD in der eigenen Partei massiv attackiert worden. Die Opposition von Grünen und der Wählergemeinschaft „Arbeit für Bremen“ sieht die Koalition in der Krise und fordert Neuwahlen. Die Spitzen von CDU und SPD versicherten unterdessen, daß die Große Koalition bis zur nächsten Bürgerschaftswahl 1999 fortgesetzt werde.

Nölle, ehemaliger Vorstand der Bremer Sparkasse, war als Quereinsteiger erst 1991 in die CDU eingetreten. Vier Jahre später hat er die Union nach vierzig Jahren Opposition in Bremen an die Regierung geführt. Ganz wohl war ihm in der Politik jedoch nie. Nölle hatte mehrfach öffentlich die „Grüppchenwirtschaft“ in der Politik beklagt.

Über die Nachfolge Nölles im Senat berieten gestern bis Redaktionsschluß die CDU-Parteigremien. Wie verlautete, soll Wirtschaftssenator Hartmut Perschau, früher Oppositionsführer in Hamburg und Innnenminister in Sachsen-Anhalt, den Posten des Finanzsenators übernehmen und auch Bürgermeister werden. Für Perschau spricht, daß er mit mehr Erfolgsaussicht als ein weniger erfahrener Politiker die anstehenden Verhandlungen über weitere Sanierungshilfe des Bundes für das Land Bremen führen kann. Wer dann das Wirtschaftsressort übernehmen würde, war gestern noch offen. In der CDU wollte man auch nicht ausschließen, jemand von außen zu holen. Der CDU-Landesvorsitzende Bernd Neumann versicherte, er werde als parlamentarischer Staatssekretär im Bonner Forschungsministerium bleiben.

Zwischen Nölle und Neumann hatte es im Juni einen offenen Konflikt gegeben. Dem Banker Nölle wurde vorgeworfen, er sei zu wenig durchsetzungsfähig gegenüber seinem SPD-Pendant, dem Senatspräsidenten Henning Scherf. Auch Nölles Engagement bei der privaten Nordfinanz-Bank hatte Kritik hervorgerufen. Nölle besitzt gemeinsam mit seiner Frau 41,2 Prozent an der Bank und ist gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender. Mögliche Interessenkollisionen als Finanzsenator und Bankbesitzer hatte er stets bestritten. Sein Mandat in der Bremischen Bürgerschaft will Nölle behalten. Joachim Fahrun