Oskar Schröder isoliert die SPD-Linke

■ Dank des Schulterschlusses zwischen Schröder und Lafontaine kann die Linke im SPD-Vorstand nur drei Stimmen gegen Schröders Wirtschaftskonzept mobilisieren. Lafontaine: Neu ist nur die Subventionierung von Niedriglöhnen

Bonn (taz) – Der SPD-Vorstand hat gestern bei drei Gegenstimmen ein neues Wirtschaftskonzept der Partei beschlossen. Die von den SPD-Parteilinken heftig kritisierte Vorlage für den im Dezember stattfindenden Parteitag hatte der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder zusammen mit der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Anke Fuchs und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reinhard Höppner ausgearbeitet.

Schröder sagte, bei dem Leitantrag seien ihm vor allem drei Dinge wichtig. Erstens: das klare Bekenntnis der SPD zum wirtschaftlichen Wachstum. Zweitens: die Forderung nach Innovation in Wirtschaft und Gesellschaft. Drittens: Arbeitslosigkeit aktiv zu bekämpfen. Schröder hob die Absicht der SPD hervor, einen Kombilohn – die Subventionierung von Niedriglöhnen – einzuführen. Diese Punkte, so Schröder, „bringen uns wirklich weiter“.

SPD-Parteichef Oskar Lafontaine bemühte sich, die Diskussion über politische Gegensätze zwischen ihm und Schröder abzuschwächen. Schröder hatte in der vergangenen Woche zwölf Thesen unterbreitet, die unter anderem schärfere Sanktionen gegen Arbeitslose vorsehen, die eine zumutbare Arbeitsstelle ablehnen. Diese Forderung findet sich in dem Leitantrag nun jedoch nicht. Lafontaine sagte, die von der Presse aufgebauten Unterschiede zwischen ihm und Schröder seien weit überzeichnet. Der Leitantrag sei nichts grundlegend Neues. Änderungen zu bisherigen SPD-Positionen sieht der Parteichef bei der Subventionierung von Löhnen.

Die im Frankfurter Kreis zusammengeschlossene SPD-Linke bezeichnete den Leitantrag als „untauglich“. Das Papier sei bei einem Treffen des Kreises am Wochenende als „Kapitulation vor der Massenarbeitslosigkeit“ förmlich zerissen worden, sagte der Bundestagsabgeordnete Detlev von Larcher. Die darin enthaltenen Vorschläge würden weder Binnennachfrage noch Investitionen stärken. Kritisiert worden sei auch, daß das Konzept weder eine klare Aussage zum Ausstieg aus der Atomkraft noch die Forderung nach einem Umweltgesetzbuch enthalte.

Scharfe Kritik kam auch aus Gewerkschaftskreisen: Das Papier sei „vielsagend oberflächlich und enttäuschend dünn“, erklärte der Sprecher der IG Medien, Hermann Zoller. Gleichzeitig warnte er die SPD davor, sich in ihrer Wirtschaftspolitik auf einen neoliberalen Kurs drücken zu lassen. Das Papier verzichte auf eine kritische Analyse der Ursachen und der Folgen der Massenarbeitslosigkeit und übernehme statt dessen bekannte Klischees aus Unternehmersicht. Angesichts dieser Peinlichkeiten überrasche es nicht, daß keinerlei Aussagen zur Arbeitszeitverkürzung gemacht würden.

Kanzleramtsminister Friedrich Bohl (CDU) sagte, die von Schröder vorgelegten Wirtschaftsthesen erinnerten an das „Märchen von des Kaisers neuen Kleidern“. Markus Franz Tagesthema Seite 3