Wie man nicht US-Botschafter wird

Die Nominierung eines US-Vertreters für Mexiko: Ein Lehrstück über US-amerikanische Politik und wie man dabei danebenliegen kann. Aufgeschrieben in zwei einzig wahren Versionen  ■ Aus Washington Peter Tautfest

Achtung: Wer weiterliest und verwirrt ist, braucht an seinem Verstand nicht zu zweifeln, verrückt ist nicht der Leser, sondern Washington. Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode und ist dabei zugleich ein kleines Lehrstück über die Sonderbarkeiten des US- amerikanischen Regierungssystems.

Erste Version: Da wollte der Präsident der Vereinigten Staaten, bekanntlich ein Mitglied der Demokratischen Partei, gut Wetter bei der Opposition machen, den Republikanern, die bekanntlich die Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses haben, und ernennt einen Republikaner, den Gouverneur des Bundesstaates Massachusetts, als Botschafter für Mexiko. Botschafter müssen vom Senat bestätigt werden. Dafür wäre der Auswärtige Ausschuß zuständig, der dazu Anhörungen anberaumen müßte.

Dem Vorsitzenden des Ausschusses aber, Jesse Helms, wie Weld ein Republikaner und anders als dieser ein rechtes Ekelpaket, paßt Welds Nase nicht. Warum? Weld kommt aus Massachusetts und Helms aus North Carolina, und die Regionen verhalten sich zueinander wie der Stadtstaat Hamburg zum Bundesland Thüringen.

Außerdem ist Weld ein eher liberal denkender Republikaner, einer von der Sorte, von der man schon länger nichts mehr gehört hat, die es in der Partei aber auch noch gibt und die nach zwei verlorenen Präsidentenwahlen die Partei wieder zurück auf einen eher liberalen Kurs bringen will. Weld ist für das Recht der Frauen auf Abtreibung, für den medizinischen Gebrauch von Marihuana und für die Ausgabe von sauberen Nadeln an Fixer, damit die sich kein Aids holen. Helms paßt das alles nicht, und er beschließt, erst gar keine Anhörung auf die Tagesordnung zu setzen. Das kann er, und zwar auch gegen den Willen der Ausschußmehrheit, das garantiert die antiquierte Geschäftsordnung des Senats. Damit ist Welds Nominierung eigentlich gestorben.

Doch was macht Weld? Der hängt seinen Posten als Gouverneur von Massachusetts an den Nagel, um sich voll seiner Bestätigung zu widmen. Was dann folgt, nimmt sich aus wie die Neuauflage des Films „Mr. Smith geht nach Washington“, der Gang des naiven und guten Menschen von Massachusetts ins verknöcherte, korrupte Washington. Weld gewinnt ein paar Freunde – und für jeden davon mehrere Feinde –, erstere erzwingen doch tatsächlich eine Sitzung des Senatsauschusses, auf der Helms aber auf seine Rechte als Ausschußvorsitzender beharrt und alle Anträge abbügelt, so daß die Ausschußmehrheit dasteht wie eine Gruppe abgestrafter Schüler.

Gestern nun dankte William Weld enttäuscht und medienwirksam ab und fährt aus Washington nach Hause. Clinton kann erleichtert aufatmen, denn er kann sich einen Krach mit Helms nicht leisten.

Zweite Version: Bill Clinton will seinem Parteifreund Joseph P. Kennedy helfen. Der nämlich, zur Zeit Abgeordneter im Repräsentantenhaus, möchte Gouverneur von Massachusetts werden. William Weld aber ist sehr populär, und Kennedy hätte beste Aussichten, gegen ihn zu verlieren. Ein Kennedy aber, der in Massachusetts verliert, das ist, als wenn die CSU Landtagswahlen in Bayern verlieren würde. Das will Clinton seinem Parteifreund ersparen, deshalb will er den Weld aus Massachusetts weghaben.

Inzwischen hat sich Kennedy aber selber ins Bein geschossen, weil er die Ehe zu seiner Frau Sheila Rauch Kennedy hat annullieren lassen (Kennedy kann sich als Katholik nicht scheiden lassen) und weil sein kleiner Bruder und Wahlkampfmanager Michael Kennedy eine Affäre mit der 14jährigen Babysitterin seiner Kids hatte. Weld durchschaut das Spiel und geht gleichwohl darauf ein, denn die Nominierung zum Botschafter ist ihm herzlich schnuppe, er hat ganz andere Pläne. Er möchte Präsident werden. Dafür aber muß er die Partei auf einen anderen, einen liberaleren Kurs bringen, und dafür ist eine Auseinandersetzung mit dem Fossil Helms gerade recht.

Clinton, der das nun wieder durchschaut und – sei's, weil Madeleine Albright es ihm gesteckt hat, sei's, weil er von alleine so gescheit war – begreift, daß er auf Helms angewiesen ist, wenn er außenpolitisch irgend etwas zu Wege bringen will, würde Weld am liebsten wieder fallenlassen. Der aber läßt ihn nicht, fordert ihn heraus, zu ihm zu stehen, und gibt seinen Gouverneursposten auf. Clinton muß wohl oder übel zu seinem Kandidaten halten.

Was hat alle Welt aus diesem Schau- und Vexierspiel gelernt? Der Senat ist eine verstaubte Kammer, in der einzelne Senatoren die Rolle von Kurfürsten spielen und die Mehrheit schurigeln können. Der Präsident der Vereinigten Staaten muß vor einem seltsamen Heiligen namens Helms buckeln. Und die Republikaner sind unter der Führung solcher Leute wie Helms eher eine Bande von Politikastern denn der rebellische Haufen, als der er antrat, um mit Washingtons verstaubter Bürokratie aufzuräumen.