Eine unendlich strahlende Geschichte

■ Greenpeacer finden neue radioaktive Einleitungen aus der WAA La Hague

Paris/Würzburg (taz) – Keine Woche ohne ihren Skandal am Kap La Hague in der Normandie: dieses Mal sind es zwei mit Atommüll gefüllte Fässer, die Greenpeace nur 250 Meter vom Strand entfernt aus sieben Meter Tiefe fischte. Die Betreiberin der Wiederaufbereitungsanlage, Cogéma, soll darin Atommüll aus ihrer Kanalisation gelagert haben. Frankreichs Umweltministerin, die Grüne Dominique Voynet, war nicht über die Vorgänge in dem staatseigenen Unternehmen informiert und verlangte öffentlich Aufklärung. Cogéma-Chef Patrick Ledermann bezeichnete die Präsenz der Fässer als „normal“ und „vorübergehende Lagerung“.

In Würzburg wurde unterdessen eine Greenpeace-Blockade nach mehr als 24 Stunden von der Polizei geräumt. Die Umweltschützer hatten sich am Montag aus Protest gegen den Transport von bundesdeutschem Atommüll nach La Hague an einen Verladekran der Bahn AG gekettet.

Greenpeacer, die seit einigen Tagen wieder mit einem Forschungsschiff am Kap La Hague präsent sind, beobachteten vergangene Woche, daß „etwas ins Meer gelegt“ wurde. Daraufhin schickten sie Taucher los, die zwei verdächtige Fässer hoben. Ihr Inhalt ist nach Informationen der Umweltschutzorganisation 100- bis 4.000mal stärker radioaktiv belastet als die natürliche Umgebung.

Vermutlich besteht ein Zusammenhang zwischen den Fässern und dem sieben Kilometer langen Abflußrohr, durch das die Cogéma täglich ihren Müll aus der WAA ins Meer leitet. Im Juni hatte das Unternehmen angekündigt, es wolle das Rohr reinigen, in dem sich seit seiner Inbetriebnahme im Jahr 1980 eine zwei Zentimeter dicke Schicht von Ablagerungen angesammelt hatte. Greenpeace forderte damals eine Umweltstudie vor Beginn der Reinigungsarbeiten. Vergeblich, denn das staatliche Institut für Reaktorsicherheit (DSIN) der Umweltministerin versichert, daß es keine flüssigen oder festen radioaktiven Einleitungen ins Meer geben würde. Diese Information war falsch. Das zeigte sich letzte Woche, als die französische Regierung zugab, daß bei den Reinigungsarbeiten mindestens 50 Kilogramm Atommüll auf den Meeresboden gelangt waren. Der Inhalt der Fässer, so Greenpeace gestern, stammt möglicherweise vom Meeresboden am Rohrausgang, wo die Cogéma nach ihren Reinigungsarbeiten einigen Müll einsammelte. „Das hat wenig mit Reinigung zu tun“, erklärten die Umweltschützer, „statt den Meeresboden zu dekontaminieren läßt die Cogéma den gefährlichen Müll an Ort und Stelle.“

Nach Wissenschaftlerberichten über eine Häufung von Leukämiefällen in der Umgebung der WAA La Hague und Berichten über radioaktiv kontaminierte Meeresfrüchte aus der Region sind die Fässer das neueste Stück in der langen Geschichte strahlender Einleitungen in die Nordsee. Eine Frage drängt sich erneut auf: Wer kontrolliert die französische Atomindustrie? Dorothea Hahn