Der Kalte Krieg der Knöpfe

■ Heiner Carows Sheriff Teddy auf dem Kinder Filmfest Hamburg (19.-21.9.) in Zeise und Abaton

Kalle ist Sheriff Teddy und böse auf die ganze Welt. Und weil das, was er von ihr kennt, obendrein geteilt ist, irrt seine Muffigkeit ein wenig verlegen und unbestimmt durch die Ruinen des nachkriegsversehrten Berlins. Die kleinen Fäuste in den Lederhosentaschen über einem beeindruckenden Schlagring geballt, schlendert er durch den Westsektor der Stadt, der seinen silbernen Stern mit anmaßender Mißachtung straft.

Kalles Eltern beschließen, in den Osten der Stadt überzusiedeln. Seinen älteren Bruder überläßt man tränenlos dem westlichen Babylon, in dem er sich mit Schmalspurgaunerein zum Kleinkapitalisten mausern will. Die neue Schulklasse im Ostsektor, Kalle bislang nur als kriminell enthemmte Folterstätte bekannt, präsentiert sich seinem pubertären Prügelregiment als Arena eines vorgegriffenen Kalten Krieges. Mit donnerwolkigen Reden und Tränen in den Augen verteidigt er den Glanz Friedrichs von Preußen gegen jede ideologiekritische Säkularisierung. Und wer nicht wahrhaben will, das Landserhefte und Fahrrad-Tachos aus dem Westen das Größte sind, kriegt was vors Maul.

Der Westsektor als ein Land der Zeichen und Wunder, das seinen unschuldigen Nachkommen mit den Einflüsterungen aus der Warenwelt versaut. Der Osten als Heim der Friedfertigen, die auch kleine rotzige Sozialdarwinisten an die FDJler-Jacken drücken.

Doch Sheriff Teddy, der auf dem diesjährigen Kinder Filmfest zu sehen ist, eine Rarität von 1957 des kürzlich verstorbenen DDR-Regisseurs Heiner Carow, ist weit mehr als die Planerfüllung stumpfer Agit-Prop-Staatskunst. Ein Film, bei dem sich trotz aller realistischen Verpflichtungen einer nach kulturellem Selbstbewußtsein abrackernden Ost-Kultur hier und da ein Versuch über das Phantastische abzeichnet. Vertraute Räume, eingefaßt von einer nahezu mondänen Schwarz-Weiß-Dramatik, die ihre Bewunderung für Hollywood-Mythen bei aller Mission nicht verhehlt. Vertraute Trümmerspielplätze verwandeln sich in ein labyrinthisches Schattenreich, in dem sich die Ideologien Hand in Hand mit dem verwirrten Halbstarken verlaufen.

Die Kamera registriert nicht kühl die Annäherung zwischen Kalle und seinem späteren Freund, dem Ossi Andreas, sondern wird selber zum freundschaftsstiftenden Element. Denn mehr als ein sparsamer Ausdruck für tatsächlich doch überschäumende Gefühle angesichts eines gemeinsam zusammengebastelten Rades findet Kalle bis zum Schluß nicht. Diese nebenbei inszenierten pubertären Innigkeiten sind es auch, die mit ihrem utopischen Potential die Heilslehren aller Gesellschaftsordnungen des Erdballs um Längen schlagen.

Birgit Glombitza

Alle Filme des Kinder Filmfestes: Dizzy, lieber Dizzy , 19.9., 15.30 Uhr, Zeise,20.9., 13.30 Uhr, Abaton, 21.9., 13.30 Uhr, Zeise; Zirkus Hildebrandt , 19.9., 15.30 Uhr, Zeise; Keine Angst vorm Fliegen , 19.9., 15.30 Uhr, Abaton, 20.9.,, 13.30 Uhr, Zeise, 21.9., 13.30 Uhr, Abaton; Sheriff Teddy, 19.9., 15.30 Uhr, Abaton, 20.9., 13.30 Uhr, Caspar , 20.9., 15.30 Uhr, Zeise, 21.9., 15.30 Uhr, Abaton; Die Jönsson-Gang und der Cornflakesraub , 20.9., 13.30 Uhr, Zeise, 21.9., 15.30 Uhr, Abaton; Maja auf dem Kriegspfad , 20.9., 15.30 Uhr, Zeise, 21.9., 13.30 Uhr, Abaton; Das Auge des Adlers , 20.9., 15.30 Uhr, Abaton, 21.9., 15.30 Uhr, Zeise; Meisterdetektiv Kalle Blomquist lebt gefährlich , 21.9., 15.30 Uhr, Zeise.