Nur Faulheit, Lebensmißmut, Neid?

■ Neben ätzenden Schalterbeamten gibt es auch sehr menschenfreundliche

Gern meckern die Menschen über die sogenannten Dienstleister, die sich faul weigern, der geforderten Dienstleistungserledigung nachzukommen. Stimmt sicher auch: Hinter dem Schalter döst träg der Beamte und verzieht seine Miene bestenfalls Richtung genervter Lebensunlust. Vor allem in der Post treiben Meister der Kundenverachtung ihr Unwesen. Hämisch grinsend schließen sie gern den Schalter, wenn man selber grad dran ist. Das heißt: wäre. Pech gehabt und tschüs denn.

Sehr streng pflegt der Dienstleister auf seinen Herrn, den Kunden, zu schauen. Als wenn er einen gleich hauen wollte, wenn man etwa unverschämterweise nach Scheckeinreichungsformularen fragt. Mehr als einen gibt er nicht her. Das gefällt ihm sehr.

Auch die stillen Diener sind gewöhnlich defekt. Kaum ein EC- Automat bei der Post, der funktionierte, Markstücke nimmt der Briefmarkenautomat nicht an. Über Polizisten und Busfahrer sagen wir jetzt mal gar nichts – die BVG hat extra Psychokurse eingerichtet, in denen die Mitarbeiter darauf vorbereitet werden, auch mal „bitte“ zu sagen. Perfekt und auch freundlich gibt sich eigentlich nur der schurkisch-lächelnde Gerichtsvollzieher.

Der Erklärungsversuche für des Dienstleisters Unlust gibt es viele. Faulheit, Lebensmißmut und Neid mögen auch eine Rolle spielen.

Man kann es allerdings auch anders sehen: Zum einen gibt es ja auch die Netten – weit über die Kreuzberger Bezirksgrenzen berühmt war zum Beispiel die Frau, die bei Getränke Hoffmann in der Manteuffelstraße jedes Jahr an ihrem Geburtstag Unmengen Bowle für ihre Kunden zu machen pflegte – auf daß Dienstleister und Kunde Hand in Hand zusammen trunken lachen.

Wer Krankenschwestern, Bibliotheksmitarbeiter oder Antiquare beschimpft, kriegt es mit mir zu tun! Das Finanzamt mag zwar das Reich des Bösen sein, die Kantinencrew des Kreuzberger Finanzamts dagegen ist so urstsympathisch wie etwa die Barkeeper im „Bergwerk“ und der Technodisco „subground“.

Und die mürrischen Mienen der Mitarbeiter in einigen „Cafés“ im Ostteil, ihr Unmut, mit dem sie auf die Zumutungen ihrer oft schwäbischen Kunden reagieren, ist ja gleichzeitig Verweigerung der verlangten Unterwürfigkeit und birgt viel Ansätze des Humanen.

Neulich besuchte ich mal ein Café in der Gneisenaustraße. Schnell kam das Bier mit schleimigen Worten. Mit penetranter Freundlichkeit bespritzte mich der Bartträger an der Theke und verabschiedete mich mit großer Höflichkeit. Das heißt: Alles war grauenhaft. Nie mehr geh' ich dahin. Detlef Kuhlbrodt