Hoch droben bei den Schlummermützen Von Jürgen Roth

Kürzlich konnte ich mich wieder einmal davon überzeugen, daß Bremen gleich nach Hamburg, oder vielleicht sogar knapp vor der Elbmetropole, die schönste Stadt dieser Republik ist. Frau Heyduck holte mich vom Bahnhof ab und zog mit mir durch reizvolle Straßen und über ansprechende Plätze. Wir ließen uns in dem einen oder anderen Kaffeehaus nieder, um die jüngste Vergangenheit Revue passieren zu lassen, kamen aber kaum zu Wort, da sich eine gewisse Abgespanntheit bemerkbar machte und der Kommunikation quasi den Riegel des Gähnens vorschob, wofern eine Artikulation im Dienste der Verständlichmachung unmöglich wurde.

Schließlich im „Viertel“ (Steintor) angekommen, schlug Frau Heyduck einen kleinen Snack vor und gab gleich zu verstehen, sie könne sich „jetzt durchaus mal kurz hinlegen“, das würde ihr guttun. Ich sei der Idee eines Erfrischungsschlafes keineswegs abgeneigt, erwiderte ich und verabschiedete mich in die frischbezogene Koje. Etwa zweieinhalb Stunden später, verjüngt und entspannt, eroberten wir das Bremer Nachtleben. Auf Bierhockern thronend, nippten wir an Haake- Tulpen. Frau Heyducks Lebensgefährte, ein bedeutender Bremer Politiker, traf alsbald ein und wirkte abgespannt. „Ich könnte gut 'ne Mütze ordentlichen Schlaf gebrauchen“, eröffnete er die erweiterte Runde, bestellte, und Frau Heyduck antwortete wie aus der Schlummermütze gepurzelt: „Du, pennen wär' nich schlächt, odä?“ Während ich mein zweites Glas hinunterwürgte, fühlte ich mich plötzlich müde, ausgelaugt, träge, ja schwach. Ich erlöste meine Gastgeber mit den Worten, ich sei „ziemlich kaputt“ und würde „mich gerne aufs Ohr hauen“. Gesagt, alle Mann und Frau getan.

Der folgende Tag begann mit Vogelgesängen absonderlicher Natur und einem kräftigen Frühstück. Geplant war nämlich, Brauereien im Bremer Hinterland zu besichtigen. Frau Heyduck jedoch schlug gegen halb elf vor: „kurz noch mal ablegen, 'ne Ecke poofen“ – andernfalls habe man unterwegs mit überfallartigen Erschöpfungszuständen zu rechnen. Mir leuchtete das ein, ich wanderte zu meiner Bettstatt. Nachmittags fuhren wir nach Suhr, kosteten seltsam anmutende Biererzeugnisse und gondelten zurück, um uns „ein bißchen auszuruhen“, wie ich vorschlug, bevor die Abendgestaltung angegangen werden sollte. Frau Heyduck pflichtete mir bei, „gerade zu dieser Jahreszeit“, im Sommer, fühle „man sich besser, wenn das ein oder andere Nickerchen eingelegt“ werde.

Der Kinobesuch fiel aus. Die Bremer, dachte ich mir wie so viele Male zuvor, als ich am nächsten Morgen auf meinen Zug wartete, sind freundlich, äußerst zuvorkommend und gestalten den Aufenthalt in ihrer Stadt zum Besten der Besucher. Nach reichlich einer Stunde Fahrt und etlichen Meilen ärgsten Fußmarsches traf ich zu Hamburg Herrn Sokolowsky, der bald seine Gastgeberpflichten aber ganz vergaß und während einer Rundreise in Herrn Wielands Pkw mit dessen Besitzer folgendes Gespräch führte:

Wieland: „Hamburg ist wie Bremen.“ Sokolowsky: „Nee, Kiel ist wie Bremen, aber Bremen ist eher so wie Hamburg.“

Entscheiden Sie, werte Leserschaft, nun selbst: Hamburg oder Bremen, wie ist es? Und Kiel erst...