: Intendantendämmerung
■ Ab heute regieren in der Hauptstadtregion zwei Intendanten auf Abruf: Der SFB-Chef erklärte seinen Abgang, der ORB-Chef will bald Arte-Präsident werden
Es war sein letzter Auftritt in diesem Rahmen, und Günther von Lojewski, noch Intendant des Sender Freies Berlin, nutzte ihn weidlich: Im Anschluß an die Tagung der ARD-Intendanten, bei der Lojewski Gastgeber war, präsentierte er sich noch einmal als Plauderer in Sachen ARD. Am Tag danach ließ er gestern eine langerwartete Nachricht aufs Fax legen: Lojewski habe den Rundfunkrat um Aufgabe seines Vertrages gebeten. Er begründete das gestern mit „zwingenden gesundheitlichen Rücksichten“.
Doch bei der Intendantentagung ging es noch um eine andere Frage, die für den Rundfunk in der Region ebenso wichtig ist: Kandidiert Lojewskis Potsdamer ORB- Kollege Hansjürgen Rosenbauer im nächsten Jahr für den Arte- Vorsitz? Zwar mochten von Lojewski und der ARD-Vorsitzende Udo Reiter die Frage nicht beantworten, doch am Rande der Veranstaltung wurde klar: Rosenbauer kandidiert. Auch wenn ORB-Sprecherin Pia Stein die Sache gestern weder bestätigen noch dementieren mochte. Rosenbauer selbst fuhr nach der Abstimmung in Urlaub.
Damit amtieren in der Hauptstadtregion ab heute zwei Indendanten auf Abruf. Und schon schießen die Spekulationen über die – getrennte oder gemeinsame – Zukunft der beiden Sender ins Kraut. Wer sich gestern und vorgestern in den ORB-Gebäuden umhörte, konnte allenthalben die Unsicherheit spüren, die im Sender herrscht. Im ORB, der bislang stark auf die Person des Intendanten zugeschnitten war, fürchtet man im Falle seines Ausscheidens gleich um die Zukunft des ganzen Senders.
Nicht anders sieht es an der Berliner Masurenallee aus, wo der SFB residiert. Auch wenn Lojewskis Abgang lange erwartet wurde, gibt es wenig Perspektiven für die Senderzukunft. Lojewski war in den letzten Jahren von der CDU und dem unionsgeführten Senat demontiert worden, die ihm einst zu diesem Amt verholfen hatten. Schon seit einem halben Jahr sucht der mächtige CDU-Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky nach einem konservativ gefärbten Nachfolgekandidaten – bislang ohne zündenden Personalvorschlag. Sowohl Phoenix-Chefin Barbara Groth wie auch Senatssprecher Michael-Andreas Butz gelten mittlerweile als aussichtslos.
Dem Senat geht es immer noch um die alte Idee vom „starken Hauptstadtsender“, für die aus der Senatskanzlei jeder Versuch einer Annäherung von ORB und SFB blockiert worden war.
Als letztes war das bei dem Projekt einer Hörfunkreform der Fall, die beide Sender gemeinsam in Angriff nehmen wollten. Mit Papieren der Senatskanzlei und politischen Interventionen war bis in SFB-Gremien hinein versucht worden, zu verhindern, daß ORB und SFB den Großteil ihrer Radiowellen künftig gemeinsam betreiben (taz vom Montag).
Gestern vormittag stimmte schließlich der SFB-Verwaltungsrat den Planungen für die Kulturwelle „Radio3“ noch zu. Das Gremium hatte mit seiner Ablehnung in der vergangenen Woche das Reformprojekt mitten in der Umsetzung aus den Angeln gehoben.
Ein ganz anderes Machtvakuum könnte nun auch in Potsdam entstehen. Solange es keine endgültige Sicherheit über Rosenbauers Abgang gibt, ist die auch Zukunft des Potsdamer Senders dauerhaft ungewiß. Und auf diese Sicherheit wird man warten müssen: Denn zum einen muß der deutsche Kandidat für die Arte-Präsidentschaft mit dem ZDF abgestimmt werden – und in Mainz hat man, wie zu hören ist, einen Gegenkandidaten für Rosenbauer. Zum anderen ist das Amt in Straßburg von den Entscheidungen auf französischer Seite abhängig. Das fängt schon beim Termin an. Geht der derzeitige Chef des Kultursenders Jérôme Clément als Präsident zu France Télévision, wie jenseits des Rheins spekuliert wird, dann könnte es schnell soweit sein. Bleibt Clément in Straßburg, wird das lukrative Amt freilich erst Ende 1998 frei. Lutz Meier
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