Nach Schottland jetzt auch Wales

■ Die heutige Volksabstimmung über mehr Eigenständigkeit ein weiterer Schritt Richtung Dezentralisierung Britanniens

Dublin (taz) – Schottland hat vorige Woche für ein eigenes Parlament gestimmt, heute soll Wales folgen. Am Ende steht, wenn es nach Tony Blair geht, ein dezentralisisertes Britannien. Und bisher geht alles nach dem Labour-Premierminister, der angesichts einer völlig demoralisierten Tory-Oppositon ein hohes Tempo bei seinem Reformprogramm vorlegt. Für Blair ist das heutige Referendum denn auch Vertrauenssache. Lehnen die Waliser seinen Vorschlag für mehr Unabhängigkeit ab, so wäre das eine erste Niederlage, die künftige Reformen zumindest verlangsamen würde.

Doch nach neuesten Meinungsumfragen liegen die Jastimmen mit 37 Prozent gegenüber 29 Prozent Neinsagern vorne. Aber ein Drittel der Wahlberechtigten hatte sich gestern noch nicht entschieden. Anders als in Schottland ist der walisische Nationalismus weit weniger ausgeprägt. In Schottland kaufen mehr als 90 Prozent der Zeitungsleser eine regionales Blatt, in Wales mit seinen drei Millionen Einwohnern sind es nicht mal zehn Prozent.

Ein Ministerium für Wales gibt es erst seit 1964, ein walisisches Amt für Wirtschaftsentwicklung seit 1976. Sicher, irgendwann hatten die Waliser auch mal ein Parlament. 1406 trafen sich die Anhänger des Freiheitskämpfers Owain Glyndwr in der Nähe von Machynlleth, doch den genauen Ort kennt niemand.

Blairs Angebot an die Waliser, bleibt weit hinter dem für Schottland zurück. Es ist kein Parlament, sondern eine Versammlung, um die es heute geht. Sie soll aus 60 Mitgliedern bestehen und über Gesundheit, Bildung, Transport, sowie wirtschaftliche Entwicklung entscheiden. Das Recht auf Steuererhebung, das dem schottischen Parlament zugestanden wird, hat die walisische Versammlung nicht. Sie darf lediglich die 6,9 Milliarden Pfund Zuschuß aus London verwalten.

Die Ja-Koalition aus Labour, den Liberalen Demokraten und den walisischen Nationalisten von Plaid Cymru, die zusammen über sämtliche Unterhaussitze verfügen, argumentiert, daß es nicht nur um eine Dezentralisierung, sondern vor allem auch um eine Demokratisierung gehe.

Ron Davies, der Minister für Wales, hat Plaid Cymru die Versammlung schmackhaft gemacht, indem er darauf hinweißt, daß „Devolution ein Prozeß, und kein Ereignis“ sei. Die Versammlung werde sich im Laufe der Zeit entwickeln und ihr Einfluß größer werden, sagte Davies. Das läßt die Gegner aufhorchen.

„Sag einfach nein“, so steht auf den Plakaten der Koalition aus ein paar versprengten Tories, einer Handvoll Labour-Dissidenten und den Überresten der Referendum Party, der gescheiterten antieuropäischen Partei des kürzlich verstorbenen Milliardärs James Goldsmith. Finanziert wird die Kampagne von dem steinreichen 92jährigen Sir Julian Hodge. Eine weitere Regierungsebene fördere die Filzokratie, sagt Hodge, doch ansonsten haben die Gegner wenig schlagkräftige Argumente, zumal sich der Verband der walisischen Industrie – anders als sein schottisches Pendant – aus der Debatte herausgehalten hat. Sie setzten ihre ganze Hoffnung auf die Unentschlossenheit und Apathie der wenig nationalistischen Waliser angesichts der heutigen Abstimmung.

Es gibt jedoch auch Konservative, die für eine Jastimme eintreten. Der frühere Vorsitzende der Jungen Konservativen, Phil Pedley, hat die Gruppe „Konservative sagen ja“ gegründet. „Man kann die Zahl der Tory-Bezirksräte an einer Hand abzählen“, sagt er. „Wir haben keinen Unterhaus- Abgeordneten und keinen Euro- Abgeordneten. Wenn wir nicht bei dieser Versammlung mitmachen, werden wir zum Museumsstück.“ Ralf Sotscheck