Bundesbank erhebt Zeigefinger

■ Wirtschaft wächst, Arbeitsplätze stagnieren. Trotzdem Streicheleinheiten vom IWF für Finanzminister Theo Waigel

Frankfurt (Reuters/AP/taz) – Die Haushaltslage des Bundes wird angespannt bleiben. Das schreibt die Deutsche Bundesbank in ihrem neusten Monatsbericht. Zwar würden die jahresdurchschnittlichen Ausgaben von 1999 bis 2001 nur um 1,25 Prozent zunehmen. Gleichzeitig falle aber der Rückgang des Haushaltsdefizits auf 47 Milliarden DM bis 2001 relativ bescheiden aus, da die für 1998 veranschlagten hohen Privatisierungserlöse in den Folgejahren entfielen.

Trotz der im Jahresverlauf eingetretenen Verschlechterungen werde das gesamtstaatliche Defizit 1997 jedoch voraussichtlich wesentlich niedriger ausfallen als im Jahr zuvor, prognostizierten die Währungshüter. 1996 hatte die Deckungslücke mit rund 120 Milliarden DM je nach statistischer Abgrenzung 3,8 beziehungsweise 3,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen. Der Haushaltsentwurf fürs kommende Jahr sei von der Tendenz her richtig, bescheinigte die Bundesbank Finanzminister Theo Waigel. Allerdings stünde er noch auf wackligem Boden, weil die Steuerreform noch nicht durch ist.

Überschattet werde die Finanzentwicklung der Gebietskörperschaften im laufenden Jahr von der anhaltenden Steuerschwäche, ergänzte die Bundesbank. So seien die Erträge aus der Lohnsteuer im zweiten Quartal nur um 0,75 Prozent gestiegen – schließlich sind immer mehr Leute arbeitslos, und die effektiven Löhne der Menschen mit Job sind kaum gestiegen. Bei der veranlagten Einkommensteuer seien die Erstattungen sogar erstmals in einem Quartal um zwei Milliarden DM höher gewesen als die Steuerzahlungen.

Gefreut haben wird sich Finanzminister Theo Waigel über die Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF). Das Wirtschaftswachstum in Deutschland wird sich 1998 bei nur mäßig steigender Inflation beschleunigen, glauben auch diese Experten. Nach einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 2,3 Prozent in diesem Jahr rechne man für 1998 mit einem Plus von 2,8 Prozent, heißt es in dem gestern in Hongkong vorgelegten halbjährlichen Weltwirtschaftsausblick des IWF. Doch den Menschen ohne Job nützt das alles wenig: Der IWF rechnet für 1998 nur mit einem geringen Rückgang der Arbeitslosenquote von 11,3 auf 11,2 Prozent. Um einen deutlicheren Abbau der Arbeitslosigkeit zu erreichen, seien strukturelle Reformen erforderlich. Die IWF-Experten empfehlen außerdem, Zinserhöhungen zu vermeiden. Ob sich die Bundesbank daran hält, ist allerdings sehr fraglich. Viele Beobachter rechnen damit, daß die Währungshüter bei ihrer heutigen Zentralbankratssitzung die Zinswende einläuten.