Die Weltbank beehrt ihren größten Kunden

■ Das Treffen der internationalen Finanzelite im chinesischen Hongkong unterstreicht den Aufstieg der Volksrepublik zur neuen Weltwirtschaftsmacht

Die Tagung von Weltbank und IWF ist das erste Treffen der internationalen Finanzelite auf chinesischem Boden – eine Anerkennung für die ostasiatischen Tiger-Ökonomien und die gastgebende Nation. Neben den jüngsten Währungsturbulenzen, die in Hongkong und im Reich der Mitte nur wenig Spuren hinterlassen haben, werden Chinas Wirtschaftsreformen die Tagung beherrschen. Ein ganzer Tag wird der Volksrepublik gewidmet, dessen Herrscher gerade auf ihrem Parteitag eine einschneidende Reform der Staatsbetriebe angekündigt haben. Darauf hatten IWF und Weltbank lange gedrängt.

Die Bank sieht die Hauptaufgabe ihrer 1980 in China begonnen Arbeit im Wandel Chinas von der Plan- zur Marktwirtschaft. Seit 1992 ist China der größte Kreditnehmer der Weltbank, die dort 184 Projekte finanziert. Peking hat bisher für 28,5 Milliarden Dollar Kredite erhalten.

Das aufstrebende China ist für die Finanzinstitutionen ein wichtiger Partner. Die Volksrepublik ist mit 120 Milliarden Dollar im Ausland verschuldet, verfügt aber über eigene Devisenreserven von 126 Milliarden Dollar. Nach den USA erhielt China 1996 mit 40 Milliarden Dollar weltweit die zweithöchsten ausländischen Direktinvestitionen. Kürzlich beteiligte sich Peking gar als Gläubiger mit einer Milliarde Dollar am IWF-Stützungspaket für Thailand. Nicht zuletzt durch die Zusammenarbeit mit IWF und Weltbank will Chinas Regierung zeigen, daß die US- amerikanischen Vorbehalte gegen eine Aufnahme der Volksrepublik in die Welthandelsorganisation WTO haltlos seien.

Mit dem Treffen der 14.000 Banker in Hongkong gelang es Peking auch, seinem Erzrivalen Taiwan eins auszuwischen. Denn Vertreter Taiwans, eine der finanzstärksten asiatischen Ökonomien, bleiben auf Wunsch Pekings ausgesperrt.

Die Tagung in Hongkong ist die erste Großkonferenz in der Stadt nach ihrer Rückgabe an China. Die Banker vertrauen offenbar Pekings Zusicherungen gegenüber der Sonderverwaltungsregion Hongkong nach der Formel „ein Land, zwei Systeme“. China und Hongkong wollen zeigen, daß sich in der ehemaligen britischen Kolonie nichts verändert hat. „Business as usual“ lautet die Devise. Die Metropole gilt als neoliberale Vorzeigeökonomie. Statt Haushaltsdefizit und Schulden gibt es hohe Devisenreserven. Hongkongs hochentwickelte Finanzmärkte arbeiten ohne Kapitalkontrollen.

Waren IWF und Weltbank bei ihren letzten drei auswärtigen Tagungen in Madrid, Bangkok und Berlin mit lautstarken Protesten und zahlreichen Gegenkongressen konfrontiert, werden diese in der Finanzmetropole Hongkong dürftig ausfallen. Die soziale Blindheit des IWF und die ökologischen Sünden der Weltbank sind für die Bevölkerung Hongkongs kein Thema – mit Protesten rechnen muß lediglich Chinas Ministerpräsident Li Peng bei seinem ersten Besuch nach der Rückgabe der Stadt.

Die Hongkonger stören sich vor allem an den hohen Kosten der Tagung. Sie ist mit 62 Millionen Dollar mehr als doppelt so teuer wie die Übergabefeiern der Stadt am 1.Juli. Und dabei ist das wirtschaftlich so erfolgreiche Hongkong nicht einmal Mitglied bei IWF und Weltbank. Sven Hansen