Der trügerische Schein der Legalisierung

■ Legalize it! – und dann? Die Deregulierung des Drogenmarktes könnte fatale Folgen haben: Den Kartellbossen und der Pharmaindustrie winken gewaltige Gewinne und politischer Einfluß

„Hip-Hemp Hurray!“ und „Legalize it!“ lauten die Schlachtrufe. Das dazugehörige Symbol ist das fedrig zarte Hanfblatt – Waffen und Wappen in einer Kampagne zur Durchsetzung eines geheiligten Grundsatzes der Marktwirtschaft und des Grundrechts auf Selbstbestimmung – mein Rausch gehört mir! Freigabe werde dabei alle Übel beseitigen, die heute mit Drogen in Verbindung gebracht werden.

Die Vorteile der Legalisierung sind zum Gemeinplatz geworden: Die Zahl der Verbrechen und der Opfer werde zurückgehen, denn die Beschaffungskriminalität ist ein Produkt der Beschaffungsschwierigkeiten. Legalisierung werde die Preise sinken und den Rausch reiner steigen lassen, womit wiederum die Zahl der Drogentoten sinken werde, denn die meisten sterben an gepanschten Drogen oder infizierten Nadeln. Die auf Drogen erhobenen Steuern würden zusammen mit den Einsparungen bei der Strafverfolgung die Mittel für Drogentherapie und -aufklärung einbringen.

Altmeister der Legalisierungstheorie ist kein geringerer als der Nobelpreisträger und Abgott aller Neoliberalen, Milton Friedman. Seine Theorien über den Markt haben eine Reihe von Studien inspiriert, die sich mit Kosten-Nutzen-Analysen einer möglichen Legalisierung beschäftigen. Na klar, Drogen richten Schäden an, der Krieg gegen sie auch. Wie nicht anders zu erwarten, kommen die Studien – je nachdem, wer sie angestellt hat – zu diametral entgegengesetzten Ergebnissen. So Schwanken die Schätzungen darüber, um wieviel die Zahl der Drogenkonsumenten durch Legalisierung in den USA zunehmen würde zwischen zwei und 42 Millionen. Doch ganz ohne Ökonometrie, nur mit dem gesunden Menschenverstand und einem bißchen Vorstellungsvermögen ausgerüstet, kann man sich auch als Laie ausmalen, was Legalisierung mit sich bringen würde.

Zunächst einmal würde ein ganzer Zweig der informellen Wirtschaft zusammenbrechen – in Anbau, Herstellung und Verteilung. Hanfanbau zum Beispiel ist in Staaten wie Kalifornien, Kentucky und Vermont ein Industriezweig, dessen Umsatz den der Holzwirtschaft übertrifft. Außerdem würden bei einer Legalisierung aus kleinen Garküchen und Manufakturen Großfabriken werden – mit allem, was dazugehört, wie Abwässer, Abgase und Giftmüll.

Auch die Verteilung der Gewinne würde sich dramatisch ändern. Die Zahl derer, die einen größeren oder kleineren Teil ihres Einkommens als Kleindealer verdienen, dürfte allein in den USA an eine Million reichen. Nur ein Teil von ihnen würde in den legalen Krautboutiquen und Stoffshops eine Anstellung finden. Wer seine Sucht bisher mit Dealen finanzierte, müßte sich etwas einfallen lassen – einen kleinen Bruch oder Raub vielleicht?

Die bisherigen Großhändler aber würden mit ihren jetzt reingewaschenen Narcodollars ins legale Geschäft einsteigen, womit eine neue Spezies von Unternehmern auf den globalen Markt treten würde – mit einer ganz eigenen Kultur und Wirtschaftsethik. Im Drogengeschäft werden heute schon in den USA und Europa zusammen 210 Milliarden Dollar umgesetzt. Man stelle sich also einen legalen Wirtschaftszweig dieser Dimension vor. Der wäre nicht nur frei, sein Produkt zu vermarkten und zu verkaufen, sondern auch Parteien und Stiftungen zu finanzieren sowie Wahlkampfspenden zu vergeben, um politische Entscheidungen zu beeinflussen.

Die Kartellbosse würden durch die Legalisierung vielleicht nicht sofort, aber doch nach einer Übergangszeit salonfähig werden. Durch die neu gewonnene internationalen Respektabilität und die gesicherten Absatzmärkte würde mit ihren Einnahmen letztlich ihr politischer Einfluß wachsen – eine neue Politikerkaste beträte das internationale Parkett.

Die Pharmaindustrie würde natürlich nicht einsehen, warum Haschisch, Kokain und Opium und dessen Derivate oder Speed und Amphetamine legal erhältlich, Valium und Prozac aber nach wie vor verschreibungspflichtig sein sollten. Zusammen mit der neuentstandenen Drogenlobby würde sie sich für eine völlige Deregulierung des gesamten Drogen- und Pharmamarktes einsetzen.

Welche Auswirkungen eine Legalisierung der Drogen auf die Volksgesundheit – also auf die Zahl der drogenbedingten Toten und Verletzten – haben würde, ist strittig, weil niemand weiß, in welchem Maß der Drogenkonsum zunehmen würde. Zieht man aber den Umgang mit legalen Drogen und deren bereits bekannte Auswirkungen zu Rate, ließe sich die Frage ganz anders stellen – und vielleicht auch besser beantworten. 90 bis 95 Prozent der Raucher sind von ihrer Droge abhängig, aber nur 10 Prozent der Trinker. Die Zahl der Rauchertoten in den USA wird auf 480.000 geschätzt, die der Trinker auf 100.000. Die meisten Drogen, deren Legalisierung zur Debatte steht, verbinden die suchtbildenden Eigenschaften des Tabaks mit den berauschenden des Alkohols. Na denn Prost! Peter Tautfest, Washington