Sechs Gramm Minimum von Kiel bis Kempten

■ Selbstanzeigenkampagne kämpft gegen unklare Rechtslage und für Legalisierung

Wolfgang Küppers, seines Zeichens Beamter im Landesstraßenbauamt in Gelsenkirchen, droht eine Abmahnung. Er ist einer der wilden 13, die am 25. August in sechs Bundesländern von Leipzig bis Emmerich zur Polizei marschiert sind, um sich selber wegen des Besitzes von Hasch anzuzeigen. Küppers steht zu seiner Aktion, weil er „der Überzeugung ist, daß es an der Zeit ist, in der Drogenpolitik umzudenken“. Allerdings steht bisher in fast allen Fällen eine Reaktion der Polizei noch aus. Lediglich von Benny aus Leipzig ist überliefert, daß ihm seine Selbstanzeige auf der Stelle ein mehrstündiges Verhör eingebracht hat.

Die Initiatoren wollen mit ihrer Anzeige nicht nur für eine Legalisierung von Cannabiskonsum kämpfen, sondern auch auf die unterschiedliche Rechtslage von Kempten bis Kiel aufmerksam machen. Denn trotz der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts von 1994, in den verschiedenen Bundesländern zu einer einheitlichen Definition der straffreien „geringen Menge“ Dope zu kommen, ist dies bis heute nicht geschen. Auch gibt es keinerlei zusammenfassende Informationen über die Praxis in den verschiedenen Ländern.

Um dem ein Ende zu bereiten, hat Martin Kleiner vom Hanfkommunikationszentrum in Karlsruhe sich die Mühe gemacht, sämtliche 16 Justizministerien anzuschreiben. Das Resultat: Lediglich in Nordrhein-Westfalen, Sachsen- Anhalt, Rheinland-Pfalz, Thüringen, Niedersachsen und Baden- Württemberg existieren überhaupt Richtlinien für die Staatsanwaltschaften, die vorgeben, welche Menge als gering anzusehen ist.

Und auch die sind nicht einheitlich: Wird in Brandenburg und Baden-Württemberg bei bis zu sechs Gramm Besitz das Verfahren eingestellt, so keine Fremdgefährdung vorliegt, liegt das Limit in Rheinland-Pfalz bei zehn und in Niedersachsen bei 15 Gramm.

In Schleswig-Holstein, das sich nun wohl endgültig von dem Modellversuch „Cannabis in Apotheken“ verabschieden muß, gibt es zwar keine Richtlinien, doch geht man dort immer noch von der großzügigen 30-Gramm- Grenze aus. Aus Sachsen, Thüringen und Hessen verlautet ebenfalls die Sechs-Gramm-Grenze, in Bremen ist von bis zu zehn, in Berlin von bis zu 15 Gramm als gering zu erachtender Menge die Rede. Selbst Bayern ist laut Mitteilung des Regierungsdirektors inzwischen auf die Sechs-Gramm- Linie eingeschwenkt, er verweist aber auch darauf, daß es keinen „Einstellungsautomatismus“ gäbe.

Weiterhin entscheidend für eine Einstellung des Verfahrens ist in allen Bundesländern der Ort des Konsums: Wird man nämlich beim Kiffen in Schulen, Freizeitheimen oder Kasernen erwischt, wird eine Fremdgefährdung unterstellt. Auch wenn man bereits das zweite oder dritte Mal ertappt wird, sinken die Chancen, der Justiz zu entkommen.

Die 13, die sich selbst angezeigt haben, warten derweil auf eine polizeiliche Verfolgung ihrer Aktion, die sie dann ebenfalls detailliert dokumentieren wollen. Daß der symbolische Charakter ihrer Tat nichts am Verhalten der Staatsgewalt ändern wird, steht auch schon fest. Denn laut Bundesverfassungsgericht ist der Cannabisbesitz zwecks Selbstanzeige strafbar, weil Rechtsverletzungen kein „zulässiges Mittel des Meinungskampfes“ seien und außerdem zur Nachahmung anregten. Jeannette Goddar

Weitere Informationen zur Rechtslage, aktuelle Urteile sowie zur Gefahr des Führerscheinentzugs für Kiffer hat die Grüne Hilfe in ihrem Rechtshilfe-Almanach 1997 zusammengetragen. Erhältlich zum Preis von 25 Mark bei der Grünen Hilfe Lüneburg, P.O.Box 3065, 21320 Lüneburg.