Auch der Gelegenheitskiffer braucht seinen Dealer!

■ Nichts ist langweiliger als private Gespräche über Drogen, denn für die Freigabe ist eh jeder Normale. Doch die Legalisierung muß sein, weil es sonst stets nur die trifft, die das Risiko tragen

Die mittelständische Hanfindustrie ist „in“. Alle paar Monate gibt es in allen möglichen Orten irgendwelche, gern von den zuständigen Landesregierungen unterstützte Hanfkongresse und -messen. Über den sympathisch immer wieder nachwachsenden Rohstoff berichten längst nicht mehr nur linksalternative Medien.

Hanfprodukte sind schick, Cannabia-Bier gibt es inzwischen auch im eher proletarischen Berliner Strandbad am Wannsee, und in den nächsten Jahren wird sicher auch ein superumweltverträglicher Mercedes mit hübschem Cannabisblattlogo für die nachwachsende Generation eingeführt.

Das ist alles sicher sehr zu begrüßen und auch schön. Ein bißchen ärgert man sich nur darüber, daß sich die mittelständische hanfverarbeitende Industrie so häufig von dem Rauschgift zu distanzieren müssen meint (so sie nicht im Haschrauch- oder Marihuana- pflanzbegleitenden Sektor tätig ist, was dann ja keinen Sinn machen würde). Damit will man nix zu tun haben, kommt nicht in die Tüte, vom deutschen Hanf müsse man schon ein paar Zentner wegrauchen, um was zu merken, heißt es oft witzelnd, was logischerweise ziemlicher Unsinn ist. Da würde einem nämlich ganz schön schlecht werden.

Als das Hanfbusineß sich vor ein paar Jahren zu etablieren begann, meinten viele kritisch, es ginge den Hanflobbyisten gar nicht so sehr um die hehre umweltverträgliche Produktion von diesem und jenem, sondern in Wirklichkeit und vor allem um den legalen Rausch.

Schön wär's. In Wirklichkeit distanzieren sich viele Hanfgenossen tatsächlich sehr glaubhaft von ihren losen Haschbrüdern. Während es ihnen um die Rettung der Welt geht („die Zukunft wird grün oder nicht sein“), ginge es den Konsumenten der Rauschdroge ja nur um partikuläre, private, also zu vernachlässigende Belange. (Haschfreunde, die dann sektenmäßig wie Jack Herer hysterisch gegen Alkohol und Nikotin wettern, lassen wir mal beiseite).

Selbst unter kiffenden Kollegen hört man oft, die Forderung nach einer Legalisierung von Haschisch sei überflüssig, unpolitisch, vielleicht auch schädlich. „Man nimmt halt ab und an Drogen, fertig, da braucht man nicht weiter drüber zu reden“, findet eine TV-Kollegin, die sich mit wichtigeren Dingen beschäftigt. Im Privaten mag das richtig sein, Gespräche über Drogen sind das langweiligste, was es gibt, weil eh jeder Normale für Freigabe ist. Ein kritischer taz-Kollege meinte, den etwa 30.000 Besuchern, die bei der Berliner Hanfparade Mitte August für die Legalisierung der Droge demonstrierten, ginge es ja nur um das unbeschädigte Idyll. Die Welt, Welt sein lassen, sich legal dummkiffen...

Hardliner Klaus-Rüdiger Landowsky, Geschäftsführer der Berliner CDU-Fraktion, fand es auch nicht weiter schlimm, daß sich nach Schätzungen der Polizei etwa ein Drittel der Love-Parade-Besucher die Birne mit Ecstasy und Hasch vollgestopft hatten. In seiner Jugend hätte er ja auch gern mit Captagon die Nächte durchgetanzt, meinte er zum ehemaligen Haschrebellen Bommi Baumann, der inzwischen besorgt ist über die Zunahme des Rauschgiftkonsums.

Ein bißchen erinnert das alles an die alte Unterscheidung vom Haupt- und Nebenwiderspruch. Das heißt, jedes politische oder gesellschaftliche Engagement unterhalb der hehren Arbeit für die Weltrevolution ist überflüssig bis kontraproduktiv. Das sagen dann die gern, die nicht von den Nebenwidersprüchen betroffen sind.

Natürlich lassen sich die meisten der etwa fünf Millionen Kiffer in Deutschland nicht vom Cannabisverbot stören (genausowenig wie die Kokainisten in den oberen Etagen der Gesellschaft und in den Medien). In vielen Berliner Kneipen und Cafés, in der Bundesbahn und in Diskotheken sowieso, wird mittlerweile offen geraucht. Haschbrüder sitzen mittlerweile in allen Institutionen: im Hamburger Finanzamt, im Berliner Bezirksamt, in Gerichten, Parteien, als Lehrer an der Schule und so weiter und so fort.

Und irgendwie kommt es einem auch selber ein bißchen blödsinnig vor, wenn sich Leute wegen Haschbesitzes selbst anzeigen. Können doch auch so kiffen, denkt man dann asozialerweise, und wer sich mit Haschisch erwischen läßt, muß schon unglaublich dumm sein.

Als sei es gerecht, wenn's die Dummen dann trifft. Oder die Dealer. Viele meinen ja, sie hätten als Gelegenheitskonsumenten nun überhaupt nichts mit dem durchaus auch risikoreichen Haschischhandel zu tun, als bräuchte nicht auch der Gelegenheitskiffer seinen Dealer. Oder die Gesetze treffen dann eben die dummen Migranten, die an öffentlichen Orten Hasch verkaufen. Überflüssig und langweilig, noch einmal die Argumente zur Freigabe aufzuzählen. Die mittelständische Hanfindustrie hat gefälligst für die Legalisierung einzutreten. Einige taten das ja dankenswerterweise auch bei der überaus wunderschönen Hanfparade. Detlef Kuhlbrodt