Ein Jahr Haft für Sarkuhi

■ Der iranische Schriftsteller ist in einem Geheimprozeß wegen „Propaganda gegen die Regierung“ verurteilt worden. Vorwurf der Spionage nicht mehr erhoben

Berlin (taz) – Der iranische Schiftsteller Faradsch Sarkuhi ist wegen Propaganda gegen die Regierung seines Landes zu einem Jahr Haft verurteilt worden. Dies wurde gestern aus dem Kreise seiner Familie bekannt. Da die bisherige Haftzeit angerechnet werden soll, könnte er im kommenden Januar freikommen. Sarkuhi hatte gestern vormittag seine in Berlin lebende Frau Farideh Sebardschad angerufen, diese aber nicht erreicht. So erfuhr sie von dem Urteil durch den Anrufbeantworter.

Nachdem in iranischen Medien von einer Anklage wegen Spionage für Deutschland die Rede war, hatten viele Beobachter ein Todesurteil befürchtet. Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international und Reporter ohne Grenzen hatten daraufhin eine Kampagne für seine Freilassung initiiert. In Sarkuhis Familien- und Bekanntenkreis wird jetzt die vergleichsweise geringe Strafe auf die weltweite Unterstützung und den Regierungswechsel im Iran zurückgeführt.

In einer ersten Reaktion auf das Urteil zeigte Sebardschad gestern eine Mischung aus Erleichterung, Kritik und Besorgnis. Erleichterung, weil ihr Mann nun in absehbarer Zeit freikommt. Kritik, weil die näheren Umstände des Verfahrens völlig unklar sind. Und Besorgnis darüber, was geschieht, wenn Sarkuhi in fünf Monaten aus dem Gefängnis entlassen wird. Ungewiß ist vor allem, ob Sarkuhi dann zu seiner Familie nach Berlin ausreisen darf.

Sarkuhi ist mit einer kurzen Unterbrechung seit letztem November inhaftiert. Der Schriftsteller war auf dem Teheraner Flughafen verschleppt worden, als er zu seiner Familie nach Deutschland fliegen wollte. Die iranischen Behörden versuchten, die Verhaftung des im illegalen Schriftstellerverband aktiven Literaten zu vertuschen. Sie behaupteten, Sarkuhi sei aus familiären Gründen irgendwo in Europa untergetaucht. In einem aus dem Gefängnis geschmuggelten Brief entlarvte Sarkuhi diese Darstellung Anfang des Jahres als Lüge. Der Schriftsteller vermutete, ihm solle ein „Gegenprozeß“ zum Berliner Mykonos-Verfahren gemacht werden. Iranische Medien warfen Sarkuhi Spionage für Deutschland, versuchte illegale Ausreise und Ehebruch vor. Eine offizielle Anklage wurde nicht bekannt.

Ebensowenig ist bekannt, worauf sich der Vorwurf regierungsfeindlicher Propaganda in dem Urteil bezieht. In Sarkuhis Umfeld wird vermutet, es könne der ins Ausland geschmuggelte Brief aus dem Gefängnis gemeint sein. In diesem Schreiben, so seine Frau, sei lediglich wahrheitsgemäß über die Lage im Iran berichtet worden. Sarkuhi sei verurteilt worden, weil er von seinem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht habe. Sebarschad fordert die sofortige Freilassung ihres Mannes. Beate Seel