Gute Optik

■ Wozu lange vor Abwasserröhren rumschwimmen, wenn man seine Botschaften aus dem TV-Studio senden kann? So gibt's nun "Greenpeace TV" bei RTL (So., 23.15 Uhr)

Das Verhältnis zwischen Mensch und Natur ist ständig präsent im Bürogebäude von Eco Media im Hamburger Hafenviertel. Fünf Journalisten sinnieren hier nicht nur täglich darüber, sie riechen auch permanent etwas davon. Im Treppenhaus prägt nämlich das Odeur von gebratenem Fisch die Atmosphäre. Kein Wunder, denn nebenan sitzt ein portugiesisches Restaurant.

Die noch junge Produktionsfirma, im Mai gegründet von Stephan Lamby, dem früheren Moderator des „Zeit TV-Magazins“, arbeitet hier an „Greenpeace TV“, einem der umstrittensten Fernseh- Projekte der Saison. Morgen startet die erste von vorerst sechs Folgen des zweiwöchentlichen Magazins, moderiert von Sandra Maischberger, die für ihr Alter (30) vielleicht schon ein bißchen zu viele Karrierestationen (5) hinter sich hat.

Die ersten Gedankenspiele für eine eigene Fernsehsendung begannen bei Greenpeace vor zwei Jahren, als die Organisation eine hohe, wenn auch ambivalente Popularität genoß. Die ihren Höhepunkt erreichte, als Hör zu den Umweltschützern Anfang 1996 die „Goldene Kamera“ verlieh. „Soweit ist es: Die Regenbogenpresse ehrt die Regenbogenkrieger“, stichelte die Publizistin Caroline Fetscher.

Das Streben ins Showgeschäft, den Medienlieblingen von Greenpeace schon in ihren wilden Jahren nie ganz abhold, führte die Ökokrieger schon einmal zuvor in die Arme der Imageverwerter: Zum 25jährigen Greenpeace-Jubiläum plante man vor zwei Jahren zusammen mit dem einstigen Gottschalk- Spezi und Fernsehshowmogul Holm Dressler eine riesige Greenpeace-Gala beim ZDF. Das Projekt scheiterte schließlich, weil man sich nicht ganz über die richtige Mischung zwischen Show und Öko einig werden konnte. Irgendeine Grenze sah man damals offenbar noch zwischen beiden Elementen.

Die Idee, ins Fernsehen zu gehen, blieb: Sie soll sich unternehmenspolitisch auszahlen, denn die Aktivisten brauchen unbedingt neue Sympathisanten: Die Spenden in Deutschland sind 1996 um zwei Millionen Mark gesunken, die Umwelt ist nicht mehr in der Spitzengruppe der Themen-Charts. Sind das die Folgen des Medien- Hypes um Brent Spar und Moruroa? „Nein, die Fernsehzuschauer sorgen sich heute einfach mehr um den Erhalt ihres Arbeitsplatzes“, glaubt Stephan Lamby.

Die momentane Öko-Berichterstattung, so der Chefredakteur des neuen Magazins, sei entsprechend dünn. „Um so wichtiger ist es, eine Sendung zu haben, die Zusammenhänge darstellen kann, teilweise auch mit Beiträgen, die sich aufeinander beziehen“, sagt Lamby.

Anfangs kritisierten einige Greenpeacer die TV-Aktivitäten heftig, unter anderem weil sie, so Lamby, „ein grundsätzliches Problem mit Privatfernsehen haben“. Die Diskussionswellen gingen hoch her, doch seit das Projekt steht, scheint die Greenpeace- Mannschaft wie ein Mann hinter der Ehe mit dem Kommerzsender zu stehen.

Was die beiden verbindet, sagt RTL-Chefredakteur Hans Mahr etwas offener als die Greenpeacer: „Wir brauchen eine gute Optik. Wir brauchen bewegte Bilder. Und Greenpeace arbeitet von jeher mit den Mitteln moderner Kommunikation. Die Medienpräsenz von Brent Spar oder den Atomversuchen im Pazifik war nur möglich durch die Live-Berichterstattung von den Schiffen vor Ort. So gesehen ist uns Greenpeace nicht nur wegen seiner Kompetenz, sondern auch wegen der technischen Professionalität willkommen. Greenpeace ist ein klares Label.“ Indem sich der Sender das gerne anklebt, sehen Kritiker wie BR-Redakteur Christoph Lindenmeyer einen „Sündenfall, schlimmer als alle Staatsrundfunkgefährdungen“.

Die Befürchtung: Wenn die Sendung gut wird oder Erfolg hat oder beides, fühlen sich womöglich auch andere Lobbyorganisationen, etwa Unternehmerverbände, dazu animiert, Journalisten zu rekrutieren und eigene Magazine zu entwickeln. Ein Abnehmer findet sich ja immer.

Die Magazinmacher vom Hafen arbeiten gemeinsam mit einem Verbindungsredakteur von Greenpeace, der Informationen über geplante Kampagnen weiterleitet und ihnen Experten vermittelt. „Wir unterstützen sicherlich nicht jedes Projekt, denn wir sind ja nicht Teil der Greenpeace-Pressestelle“, sagt Stephan Lamby – die freilich koordiniert das Projekt gegenüber RTL. „Außerdem übernehmen wir die Informationen nicht einfach, sondern überprüfen sie.“

So versucht der Chefredakteur massive Bedenken zu zerstreuen. Illuminierte Schlauchboot-Helden, beteuert Lamby, wolle Greenpeace TV nicht zeigen. „Es geht darum zu zeigen, wer für bestimmte Skandale verantwortlich ist, nicht wie schön das Leben als Aktivist ist.“

Wiederaufbereitung in La Hague, die Frankfurter IAA und die Bedrohung des Hais – das sind die Schwerpunktthemen der ersten Sendungen. Die Zuschauer sollen am besten gleich aktiv werden: sich an Aktionen gegen gentechnisch manipulierte Lebensmittel beteiligen oder bei der Greenpeace-Hotline anrufen.

RTL hat den Hamburgern „weitgehende Unabhängigkeit“ (Lamby) zugesichert, und so stellt sich nur noch das Problem mit der späten Sendezeit: „Wir können nicht zu Hauptkampfzeiten senden, da hätten wir keine Chance“, sagt Stephan Lamby. „Aber wer uns gut findet, kann ja Herrn Thoma anrufen und ihn darum bitten, daß die Sendung vorverlegt wird.“ Die Werbezeiten für Greenpeace TV (Das Geld fließt sämtlich RTL zu) verkaufen sich ausgezeichnet, so ist zu hören. Auch Chemiekonzerne sollen unter den Kunden sein. René Martens