■ Scheibengericht
: Bohemian Rhapsodies

Leila Josefowicz: Sarasate, Chausson, Wieniawski, Ravel. Academy of St Martin in the Fields, Sir Neville Marriner (Philips)

Die Zusammenstellung der populärsten virtuosen Geigen- Schnulzen zeigt eine hübsche 19jährige Blondine mit wirrem Haar und nackter Schulter auf dem Cover. Vanessa Mae die zwote? Nicht doch. Trotz deren kommerziellem Erfolg wird kein weiterer Versuch unternommen, das Sex- sells-Image im E-Musik-Bereich zu verwursten. Das wäre auch kaum sinnvoll, denn aus den Girlie-Stiefelchen ist Leila Josefowicz in musikalischer Hinsicht längst hinausgewachsen: von mechanischem Abdudeln kann keine Rede sein.

Josefowicz zeigt aber auch, daß man nicht jahrelang gehungert, gedürstet und den Abgründen des Lebens ins Auge geschaut haben muß, um die menschlichen Aufs und Abs musikalisch zum Ausdruck bringen zu können. Fast möchte man der Ansicht der Interpretin folgen, daß diese Stücke, die eigentlich die Grenze zur „leichten Muse“ nicht nur sachte streifen, in Wirklichkeit ebenso gehaltvoll seien, wie die „großen“. Zwar spürt man bei der reißerischen Aufmachung des beiliegenden Faltblattes („Leidenschaft–Intensität–Romantik“) zunächst einen leichten Abwinkreflex, aber Josefowicz interpretiert die teilweise aberwitzig schwierigen Stücke mit einer Eindringlichkeit und (im positiven Sinne) Distanzlosigkeit, daß man weiß: Nie und nimmer hat sie es nötig, baden zu gehen, um sich internationale Aufmerksamkeit zu ergeigen.