Vertrauen, Kontrolle, etc.
: „Zartbitter wird nicht gefördert“

■ Familienministerin Claudia Nolte über Maßnahmen zum Kinderschutz

taz: In dem von Zartbitter entworfenen Comic begegnet Kindern Sex eigentlich nur als gemeine, hinterhältige Anmache. Auf jeder zweiten Seite müssen sie sich gegen Übergriffe wehren. Warum nehmen Sie einen solchen Comic in das „Arbeitsprogramm der Bundesregierung“ auf?

Claudia Nolte: Der von uns in Auftrag gegebene und von Zartbitter konzipierte Comic ist nicht als Aufklärungsbroschüre gedacht und nimmt auch nicht für sich in Anspruch, vollständige Lebenswelten von Kindern abzubilden. Der Comic schildert Situationen, mit denen Kinder konfrontiert werden könnten. Er wurde von erfahrenen Pädagogen erstellt, die bereits mehrere einfühlsame Comics zum Thema konzipiert haben.

Der Spiegel meldete, Sie wollten künftig Organisationen wie „Zartbitter“ und „Wildwasser“ aus den Töpfen Ihres Ministeriums fördern – warum? Finden Sie es nicht problematisch, Organisationen zu fördern, die in Zusammenhang mit den großen Mißbrauchsprozessen in Worms/ Mainz und Münster sehr in die Kritik geraten sind?

Das Bundesministerium für Familie fördert keine dieser problematischen Organisationen. Weder Zartbitter in Coesfeld noch Wildwasser in Worms haben eine Förderung erhalten.

Wie wollen Sie dem Problem der falschen Verdachtskampagnen begegnen? Ist an irgendeine Art von Qualitätssicherung und Schadensevaluation im Kinderschutz gedacht?

Das Bundesministerium unterstützt mit der vom Spiegel genannten Summe von jährlich 800.000 Mark vor allem Aus- und Fortbildungsmaßnahmen des Deutschen Kinderschutzbundes, der Bundesgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft der Kinderschutz-Zentren. Denn gerade durch fachliche Qualifizierung der Helfer läßt sich das Risiko falscher Verdächtigungen im Bereich des sexuellen Mißbrauchs verringern.

Wie hoch sind insgesamt die Mittel, die Sie zur Aufklärung über sexuellen Mißbrauch ausgeben?

Insgesamt sind es mehrere Millionen Mark für Prävention und Aufklärung. Die Zahl kann nicht abschließend beziffert werden, da viele Maßnahmen mittelbar der Aufklärung dienen. Allein für unsere große Kampagne „Keine Gewalt gegen Kinder“ wurden in den Jahren 1992 bis 1994 in jedem Jahr deutlich über 1 Million Mark aufgewendet. Das Infomaterial – ein Medienpaket und Broschüren – wurde aktualisiert und wird weiter angeboten.

Welche Funktion genau soll die bundesweite Informationsstelle in Münster haben, die von dem ebenfalls umstrittenen Kinderpsychiater Tilman Fürniss geleitet wird?

Die bundesweite Informations- und Dokumentationsstelle in Münster gibt einen Überblick über in- und ausländische Fachliteratur für Ärzte, Berater und Kindergärten.

Gehören zu Ihren Beratern eigentlich auch Kritiker der Selbsthilfegruppen?

Das Ministerium ist bestrebt, bei allen Maßnahmen zum Schutz der Kinder vor sexuellem Mißbrauch, plurale Expertenmeinungen einzuholen und zu berücksichtigen. Beim Arbeitsprogramm der Bundesregierung gegen sexuellen Mißbrauch, Kinderpornographie und Sextourismus haben insbesondere Vertreter aller maßgeblichen NGOs mitgearbeitet und Einfluß genommen.