Boykottaufruf nach Detektivüberfall

Kunde in der Frankfurter Hugendubel-Filiale wurde nach einem Buchkauf des Diebstahls verdächtigt und mißhandelt – weil er ausländisch aussieht? Geschäftsführer weist die Vorwürfe zurück  ■ Von Heide Platen

Frankfurt am Main (taz) – Manquel Tejeda ist ein kranker Mann. Das sieht man dem Hünen mit dem ernsten Blick nicht an. Geboren wurde er 1948 im chilenischen Los Angeles. Sein Vater war Abgeordneter im Parlament des sozialistischen Präsidenten Salvador Allende. Nach dem Militärputsch 1973 wurde der junge Tejeda in Militärlagern gefoltert.

Sechs Monate lang war er in einer kleinen Holzkiste eingesperrt. Er wurde mit Strom gequält und immer wieder geprügelt. 1975 flüchtete er zu Freunden in die Bundesrepublik. Der Jurist und Historiker wurde deutscher Staatsbürger. Der Dozent an der Frankfurter Universität ist spezialisiert auf juristische Anthropologie, Rechte und Rechtssysteme der Indianer. Er engagiert sich in der Menschenrechtsbewegung.

Am 27. August ist er auch in seiner neuen Heimat mißhandelt worden. An diesem Tag betrat Tejeda die Buchhandlung Hugendubel im Steinweg in der Frankfurter Innenstadt. Er hatte dort ausgerechnet ein Buch mit dem Titel „Strafgerichte gegen Menschenrechtsverbrechen“ bestellt. Ein zweites suchte er sich im Laden aus. Nachdem Tejeda beide Bücher bezahlt hatte und gerade den Laden verlassen wollte, versuchte jemand ihm seine Umhängetasche von der Schulter zu reißen. Er hielt sie fest, weil er an einen Überfall glaubte. Statt dessen wurde er rüde aufgefordert, die Tasche zu öffnen und seinen Ausweis zu zeigen.

Erst langsam begriff er, daß er des Ladendiebstahls verdächtigt wurde. Er verlangte von den Männern, sich auszuweisen, mit ihm in den Laden zurückzugehen und den Geschäftsführer oder die Polizei zu holen. Trickbetrügern habe er nicht aufsitzen wollen. Zurück im Laden führte man ihn in ein leeres Zimmer oberhalb der Verkaufsräume. Dort habe man ihm einen Zettel vorgelegt, auf dem er ein Hausverbot unterschreiben sollte. Als er sich weigerte und gehen wollte, sei er von den Männern angefallen und verprügelt worden. Trotzdem sei es ihm gelungen, in den Kundenbereich zu entkommen.

Ein Arzt bescheinigte dem Historiker tags darauf Prellungen an der rechten Hand, an der Halswirbelsäule und am linken Kniegelenk und eine Bauchmuskelzerrung. Tejeda erstattete Strafanzeige. Peter Kaiser, Geschäftführer der Frankfurter Hugendubel- Filiale, gibt sich nun unsicher. Nein, keineswegs sei sein Haus ausländerfeindlich, im Gegenteil. Er selbst sei ein Friedensbewegter.

Fatal findet er jetzt, daß ihn nun Protestbriefe und Faxe von Menschenrechtsorganisationen erreichen. Tejeda habe seiner Meinung nach gegenüber den Detektiven überreagiert, sie wüst beschimpft und mit Randale bedroht. Kaiser räumt ein, daß dieses Verhalten „aus seiner Lebensgeschichte verständlich“ sei. Möglicherweise, sagt er, habe Tejeda sich seine Verletzungen zugezogen, „als er sich gegen die Tür geworfen hat“. Im übrigen werde die Polizei die Vorwürfe klären. Konsequenz könne aber dann auch sein, „daß wir uns von der Detektei trennen“.

Die Firma hat Tejeda ihrerseits wegen Hausfriedensbruchs angezeigt. Nun steht Aussage gegen Aussage: „Die Detektive waren zu zweit“, so Kaiser. Tejeda wehrt sich dagegen, aufgrund seiner Lebensgeschichte psychiatrisiert zu werden. Er versichert, er sei weniger vom Wunsch nach Rache als von dem einer Analyse der Ursachen getrieben gewesen, daß er nun die Öffentlichkeit sucht.

Die Mißhandlungen sieht er im Kontext des „neuen Sicherheitswahns“. Der sei „gefährlich für die innere Verfaßtheit des Landes“ und verstelle „den Blick für Gerechtigkeit“. Er treffe nicht nur „ausländisch aussehende Menschen“: „Der Käufer ist, sobald er einen Laden betritt, auch der Verdächtige. Und das kann jeder sein!“ Tejeda will während der Buchmesse zum Hugendubel- Boykott aufrufen. Die Buchhandelskette lädt im Gegenzug für Mittwoch zur Pressekonferenz.