„Praktikumsmäßig“läuft nichts mehr

■ Dem Notprogramm der Bildungsbehörde gegen die Ausbildungsplatznot droht Fehlschlag / Viele Betriebe haben keine Praktikumsplätze mehr frei / Kammern nicht offiziell informiert

In Bremen steht in diesem Jahr ein ungekannter Ausbildungsplatznotstand bevor. Fast 1.000 Schulabgänger dürften nach Zahlen des Arbeitsamtes Anfang Oktober ohne eine Lehrstelle dastehen. Zu allem Überfluß droht dem von Bildungssenatorin Bringfriede Kahrs (SPD) zur Linderung der Misere geplanten Projekt „BFSP“ein Fehlstart.

In dem Projekt soll 540 Jugendlichen eine Berufsausbildung ermöglicht werden, bei der sie zwei Drittel der Zeit in der Berufsschule und ein Drittel als Praktikanten in Betrieben verbringen. Aber viele Unternehmen sehen sich nicht in der Lage, die Praktikumsplätze kurzfristig bereitzustellen. Offiziell hat die Behörde auch noch nicht die Kammern aufgefordert, bei ihren Mitgliedsunternehmer Praktikumsplätze einzuwerben.

„Wir haben bei Beck's bereits 80 Auszubildende“, sagt Herbert Müller von der Brauerei Beck & Co. Vor allem im kaufmännischen Bereich seien die Kapazitäten vollständig ausgeschöpft. Ebenso reagiert Christoph Zürn von der Norddeutschen Steingutfabrik. „Wir bilden schon volle Pulle aus, darüber hinaus können wir keine Praktikumsplätze zur Verfügung stellen“. Generell sei das Programm „besser als gar nichts“, nur habe seine Firma eben schon disponiert. Es sei aber denkbar, daß kleinere Betriebe Praktikanten einstellten, sagt Zürn, der im Berufsbildungsausschuß der Bremer Handelskammer sitzt.

Nachdem, wie berichtet, aus der Handwerkerschaft bereits harsche Kritik an der Kahrs'schen „Billigausbildung“laut geworden war, ist nun auch der Christliche Gewerkschaftsbund (CGB) aus der Mauer des Schweigens ausgeschert. Er hat fundamentale Einwände gegen das Praktikantenmodell erhoben, während DGB-Gewerkschaften, Politiker und Kammervertreter bislang nur unter der Hand gegen „BFSP“wettern. Denn offiziell ist das Programm noch nicht vorgestellt oder diskutiert worden, um die Ausbildungsbereitschaft der Wirtschaft nicht zu beeinträchtigen.

Das BFSP-Programm sei ein reines „Abfallprodukt“, weil es nach der Arbeitszeiterhöhung für Lehrer einen Überhang an Berufsschullehrern gebe, mit dem etwa 15 Klassenverbände neu eingerichtet werden könnten, kritisiert der CGB-Landesvorsitzende Peter Rudolph. Großbetriebe, darunter auch Mercedes, hätten zudem signalisiert, daß „praktikumsmäßig bei ihnen nichts läuft“. Und für die kleineren Firmen, die in den nächsten Tagen angesprochen werden müßten, sei es allenfalls aus finanziellen Gründen attraktiv, einen Praktikumsplatz das ganze Jahr durch mit drei wechselnden Jugendlichen besetzt zu haben. Die müßten nicht zur Berufsschule und bekämen keine Ausbildungsvergütung. Genau hier sieht Rudolph die Gefahr, daß die Praktikanten nur für niedere Arbeiten herangezogen werden könnten und die Betriebe langfristig aus der dualen Berufsausbildung aussteigen könnten.

Der CGB fordert einen Ausbau der vollschulischen Berufsausbildung, bei der Jugendliche neben der Berufsschule begleitend in Lehrwerkstätten unterwiesen werden. Außerdem sollten Prämien an Betriebe gezahlt werden, die besonders aktiv ausbilden. Die Stadt Bremerhaven habe 900.000 Mark bereitgestellt, um damit 126 zusätzliche Lehrstellen mit je 7.000 Mark zu fördern, so Rudolph. Die Kammern sollten ihr Beitragssystem umstellen, um die Kosten der Ausbildungsbetriebe für Prüfungen und Gebühren auf alle Firmen zu verteilen. Joachim Fahrun