Herthas Schicksalsstunden

■ Nach dem 0:4 gegen Rostock steht beim Bundesligisten Hertha BSC (noch) kein Trainerwechsel auf dem Programm, aber über die Mannschaft wird nachgedacht

Die Situation ist da, das Worst- case-Szenario, von dem man beim Bundesligisten Hertha BSC hoffte, daß es niemals eintreten würde, ist Wirklichkeit geworden. Nach dem 0:4 in Rostock am vergangenen Wochenende, dem siebten sieglosen Spiel in Serie in der Fußball-Bundesliga, schrillen beim Berliner Aufsteiger die Alarmglocken.

Gestern abend wurde Trainer Jürgen Röber vom Präsidium zum Rapport bestellt. Kühl und nüchtern, wie es seine Art ist, mußte der Coach erklären, wie er nach dem „grottenschlechten Spiel“ (Röber) an der Ostsee den Karren aus dem Dreck zu ziehen gedenkt. Eine Entlassung des Sportlehrers – ein durchaus probates Mittel in der Branche – scheint nach Lage der Dinge derzeit unwahrscheinlich. Jedenfalls meinte das gestern noch der Manager Dieter Hoeneß. Dazu sitzt die Psychose der vergangenen Bundesligasaison Herthas (1990/91) viel zu tief in den Köpfen des Vorstandes.

Auch damals startete der Neuling von der Spree mit sieben erfolglosen Partien in die Eliteliga. Trotz einer Ehrenerklärung des Präsidiums für den damaligen Trainer Werner Fuchs wurde diesem Ende September (!) 1990 der Stuhl vor die Tür gesetzt. Aufwärts ging es trotzdem nicht, vielmehr wrackten die beiden Fuchs- Nachfolger Pal Cernai sowie Peter Neururer, die insgesamt nur neun Zähler erringen konnten, das hauptstädtische Flaggschiff vollends ab. Hertha machte sich zum Gespött Fußball-Deutschlands.

Das wollen Röbers Arbeitgeber tunlichst vermeiden. Zumindest soll dem glücklosen Coach eine Galgenfrist von zwei Spielen gewährt werden, vermuten Insider. Das bedeutet: Am morgigen Mittwoch, beim Pokalgegner VfB Stuttgart, sowie am Sonntag im Punktspiel gegen den 1. FC Köln muß die „neue Hertha“ Erfolg haben, sonst ist auch Trainer Röber an der Spree als oberster Mannschaftsleiter nicht mehr zu halten.

Manager Dieter Hoeneß, der sich bislang geschickt aus der Schußlinie hält, obwohl auch er für die Zusammensetzung der momentan schwächsten Bundesligamannschaft verantwortlich zeichnet, kündigte bereits hartes Durchgreifen im Spielerkader an. Anzunehmen ist, daß gerade die als vermeintliche Stars eingekauften ausländischen Top-Flops Bryan Roy, Alphonse Tchami oder Kjetil Rekdal als „Bauernopfer“ hinauf auf die Tribüne verbannt werden.

Die große Unbekannte im augenblicklichen Krisenmanagement ist Herthas finanzstarker Marketing-Partner Ufa, der sich nach dem sportlichen Offenbarungseid in Rostock völlig aus der Diskussion ausklinkte.

Die Bertelsmänner, enttäuscht vom Berliner Partner, der es – trotz einer Geldspritze aus dem fernen Gütersloh von fast 10 Millionen Mark – versäumte, sich personell entscheidend zu verstärken, wägen wohl jetzt das Risiko eines weiteren monetären Engagements bei den Hauptstadtfußballern mit aller Vorsicht ab.

Deshalb steht zu vermuten, daß Röber – ausgerechnet in den kommenden „Schicksalsspielen“ – vorläufig keine neuen Akteure verpflichten darf. So muß der Hertha- Coach auf Spieler zurückgreifen, die er nach dem Aufstieg in die oberste Liga eigentlich als zu schwach ins zweite Glied abgeschoben hatte. Jürgen Schulz