■ Der Partnerschaftstest: Ein dualer Selbstversuch
: Mit fünf spiel neun Hand acht

Viele Menschen leben zusammen und wissen nicht, daß das bestenfalls mühevoll geht – ein tragischer Fall von Verblendung. Die Symptome allerdings sind bekannt: Paare leiden unter „Zoff“, Alltagsquerelen, Mißverständnissen. Der im katholischen Kirchenwesen ambitionierte Herder-Verlag sorgt endlich für Abhilfe just dort, wo sich sein Geldgeber traditionell eher bedeckt, um nicht zu murmeln: befleckt hält – bei der Partnerschaftsberatung. Zu diesem aufrichtigen Behufe hat er für 17,80 Mark das wegweisende Werk „Bin ich dein Typ – bist du meiner? Wie das Enneagramm Beziehungen einfacher macht“ auf die Erde herabgesenkt. – Wir haben es gelesen, meine Freundin und ich.

„Das Enneagramm“, werden Sie sich fragen, „wasndas?“ Das Enneagramm ist eine Entdeckung der amerikanischen Psychotherapeutinnen Baron und Wagele und jedenfalls einfach zu handhabendes (Analyse-)Mittel zwecks besseren Verständnisses untereinander: „Ganz gleich, ob Sie sich selber oder Ihre Mitmenschen privat oder am Arbeitsplatz besser kennenlernen möchten, ob Sie den richtigen Partner suchen oder Ihre Beziehungen zu anderen verbessern wollen.“ Schon die chilenischen Psychiater Naranjo und Ichazo schwörten auf den in neun Eigenschafts-Felder (ennea: neun) unterteilten Kreis, und „inzwischen gibt es Kurse, in denen man den neun verschiedenen Typen beim Reden zuhören kann“.

Wir kreuzten an und schwiegen baß erstaunt. „Ich empfinde tiefer als durchschnittliche Menschen“, wurde da einerseits emphatisch bejaht, andererseits per Kreuz befunden: „Ich kann zynisch und streitsüchtig sein.“ Und so fetzten psychoenneagrammatische Dispositionsintrospektionen wie die Windhunde auseinander: Ratio vs. Herz, Sozialorientierung vs. Libidobevorzugung, Bauch wider Birne, Herz und Verstand, Subtypus und Main-Mind, Michaela und Jürgen.

Was soll ich – in unser beider Sinne – sagen? Wir waren nach neun Testbögen beeindruckt, wußten wir doch plötzlich alles, was wir zuvor niemals zu erfragen gewagt hätten. Michaela: eindeutig eine Neunerin, mein Teil wohl eher dem Fünfer zugehörig, mit freilich beträchtlichen Anteilen der Kategorie Achter. Unter den Einsern („Perfektionisten“) erreichte die Dame acht Zähler, der Herr zwo, die „Fürsorglichkeit“ ging eindeutig hinüber, während ich den Streckenabschnitt „Leistungsorientierung“ gewann. „Skeptiker“; 4 zu 6, „Abenteurer“ ein glattes 6:2. Im Sektor „Friedensstiftung“ landete ich mit 2 gegen 16 abgeschlagen auf dem zweiten Rang und mußte schließlich auch den Part „Romantiker“ abgeben.

Parbleu! Salz und Wasser! Einer guten, mählichen Weiterentwicklung unserer bis dato zuverlässig schönen „Beziehung“ schienen solche Verteilungen kaum zuträglich zu sein. Meine exakt fünfzig contra haarklein neunzig Nennungen bzw. „Kreuze“ ließen mich nämlich recht „alt“ aussehen. Ich war als charakterkarstiger, dürftiger Wicht entlarvt worden, das Enneagramm decouvrierte aufs schamloseste meine – nun, äh: vielleicht Beziehungsunfähigkeit? Meine emotionale Insuffizienz?

Sie verstehen, ich möchte diskret bleiben. Verraten sei immerhin, daß wir uns in einem, einem einzigen Satz glücklich gleichsam gleichermaßen wiederfanden: „Manchmal kommt mir mein Partner oder jemand, für den ich mich interessiere, attraktiver vor, wenn er oder sie gerade nicht bei mir ist.“

Da schmissen wir den Rotz beiseite und verabredeten einen längst fälligen Urlaub – ohne neun verloren fünf Schneider Arschgerede, denn ein weiteres Persönlichkeitskriterium erfüllten wir denn plötzlich abermals beide, spielend, locker, lässig: „Ich mag es nicht, wenn man mir allgemeine Fragen über mich selbst stellt.“ Und wenn wir sie selbst stellen. Jürgen Roth