Gucken, bis alle is

■ Das Fernsehen sieht sich am liebsten selbst zu: Ein arte-Themenabend über Fernsehgeschichte(n) (20.45 Uhr)

Am Anfang war richtig fernsehen vergleichsweise einfach. Drei Meter Abstand vom Gerät gewährten Strahlensicherheit. Der Gefahr der Abhängigkeit war durch gut dosierte Seheinheiten zu begegnen. Nicht zu oft und nicht zu lange, lautete ein gutgemeinter Ratschlag.

Der arte-Themenabend macht heute, was das Fernsehen am liebsten tut: sich mit sich selbst zu beschäftigen. Das Fernsehen ist nicht erst selbstreferentiell, seit die Gottschalks sich die Bioleks aufs Sofa holen. Television als Wunschmaschine und Skandal beschäftigte die Zuschauerphantasie von Anfang an. Im Mittelpunkt des arte-Abends stehen je ein Film über eine deutsche und eine französische Fernsehfamilie, die als Macher oder Akteur vor der Kamera gestanden haben. Armin Maiwald, der Erfinder der „Sendung mit der Maus“, und die französische Familie de Caunes-Joubert berichten aus ihrem langjährigen Bildschirmdasein. Mittendrin und nicht daneben.

Arte zeigt rührende Bilder aus der Fernsehgeschichte mit der Patina des Erinnerten: Serge Gainsbourg als schüchterner Chansonnier und Daniel Cohn-Bendit als speckiger Jungrevoluzzer. Weit interessanter als das unerschöpfliche Bildereservoir ist jedoch die Selbstauskunft des Mediums als Gegenstand banger Befürchtungen. Das Fernsehen als Sendbote böser Strahlen trieb die Zuschauer seit jeher zu schuldhaftem Bekenntniszwang: „Wir sehen, bis alle is“, äußert ein Paar verschämt auf die Frage nach Sehgewohnheiten. In den 70er Jahren setzte man sich gleich scharenweise einem sozialwissenschaftlich angeleiteten Gesellschaftsspiel aus: „Vier Wochen ohne Fernsehen“ erzeugte denn auch prompt ein Reden, das die therapierte Gesellschaft bis heute beherrscht (vgl. taz vom 11.9.). Vielleicht amüsieren wir uns ja doch zu Tode, meint denn auch Armin Maiwald, der als Mann der Öffentlich-Rechtlichen die narzißtische Kränkung durch die Privaten nie ganz verwunden zu haben scheint.

Eins sieht man deutlich: Medium und Zuschauer befinden sich immer schon in einer Position, in der sie Supervisor und Analysant zugleich sind. Harry Nutt