■ In Polen gewinnen die bürgerlich-liberalen Parteien
: Vom Gegner lernen heißt siegen

Auf der Wahlparty des seit 1993 regierenden postkommunistischen „Demokratischen Linksbündnisses“ (SLD) wollte keine Stimmung aufkommen. Die Partei hatte gewonnen und doch verloren. Vier Jahre erfolgreiche Wirtschaftspolitik haben sie stabil in der politischen Landschaft Polens verankert, ja ihr einen Wählerzuwachs von 25 Prozent beschert.

Doch noch erfolgreicher in der Wählerwerbung war die bislang außerparlamentarische „Wahlaktion Solidarität“ (AWS). Besonders wurmen muß die SLD, daß Marian Krzaklewski, der Nachfolger Lech Walesas auf dem Chefsessel der Gewerkschaft Solidarität, die Postkommunisten mit ihren eigenen Waffen schlug. Denn die „Wahlaktion Solidarität“ ist nach demselben Muster wie das „Demokratische Linksbündnis“ aufgebaut. Die Hälfte der Vorstandssitze hält in der SLD die „Sozialdemokratische Partei der Republik Polens“ (SdrP), die ehemalige kommunistische Arbeiterpartei Polens also. In der AWS ist es die Gewerkschaft „Solidarność“, die über 50 Prozent der Vorstandsmandate verfügt. Beide Parteienbündnisse vereinen knapp drei Dutzend linke bzw. rechte Parteien und Gruppierungen unter ihrem Dach. So gelang es Krzaklewski durch die Kopie des SLD-Modells die völlig in sich zerstrittene Rechte Polens zu einen. Die Stimmen, die noch 1993 in den Parlamentswahlen verlorengingen – immerhin 35 Prozent –, konnte nun die AWS für sich verbuchen.

Ein anderer Schachzug Krzaklewskis, der auch nichts anderes als eine Kopie der SLD-Politik war, hatte vor wenigen Wochen die Trybuna, die der SdRP nahesteht, aufheulen lassen. Krzaklewski hatte der von der SLD sorgfältig gepäppelten Rentnerpartei, die als künftiger Koalitionspartner gedacht war und aus lauter alten Genossen bestand, eine eigene Seniorenpartei gegenübergestellt. Der Trick: Sie führte dasselbe Kürzel und durfte es laut Wahlrecht sogar, da sie in Langform nicht das Wort „partia“ im Namen führte, sondern „porozumiene“ (Vereinigung). Natürlich war jede Rentnerpartei für sich „unabhängig“. Bei den Wahlen fielen dann beide, wie erwartet, unter die Fünfprozenthürde.

Da die Freiheitsunion sich vor den Wahlen auf die AWS als Koalitionspartner festgelegt hat, muß sich die SLD nun tatsächlich auf eine längere Oppositionszeit gefaßt machen. Denn mit den „Bauern“, das hat sie SLD inzwischen selbst erkannt, ist einfach kein Staat zu machen. Gabriele Lesser