USA erpressen Vereinte Nationen

■ Die Reformdebatte der UNO-Generalversammlung beginnt im Schatten des finanziellen Drucks durch die USA

Genf (taz) – Überschattet von der anhaltenden Weigerung der USA, den Großteil ihrer Schulden zu zahlen, hat gestern in New York die Generalversammlung der Vereinten Nationen begonnen. US- Präsident Bill Clinton, der gestern abend nach der Eröffnungsrede von UNO-Generalsekretär Kofi Annan das Wort ergreifen sollte, hatte bereits am Sonntag eine weitere Verschärfung des politischen Drucks auf die UNO nicht ausgeschlossen.

Generalsekretär Kofi Annan vermied in seiner Rede jegliche Festlegung zu politischen Reformthemen wie etwa der Neuzusammensetzung des Sicherheitsrates. Er beschränkte sich auf den Appell an die 185 Mitgliedsstaaten, seine Mitte Juli unterbreiteten Vorschläge zu Strukturveränderungen sowie Ausgaben- und Personalkürzungen anzunehmen. Seinen Vorschlag für einen von zahlungswilligen Mitgliedsstaaten zu finanzierenden Sonderfonds, mit dem akute Liquiditätsschwierigkeiten der UNO überbrückt werden sollen, wiederholte Annan nicht. Wie informelle Konsultationen der letzten Monate ergaben, besteht unter den Mitgliedsstaaten wenig Bereitschaft, diese in erster Linie durch die Zahlungsverweigerung der USA verursachten Schwierigkeiten zu überbrücken.

Die Beitragsschulden Washingtons beliefen sich zum 31. August auf insgesamt 1,55 Milliarden US- Dollar – davon 384 Millionen Dollar beim regulären UN-Haushalt sowie 1,16 Milliarden beim Peacekeeping-Budget. Das sind 59 Prozent der insgesamt 2,64 Milliarden Dollar Außenstände aller 185 UNO-Staaten. Allerdings erkennen das Weiße Haus und der Senat in Washington nur knapp 900 Millionen Schulden an.

Und selbst für die Begleichung dieser Summe will sich Washington bis zum Jahr 2000 Zeit lassen und stellt eine Reihe von Bedingungen. Vor allem verlangt Washington, daß bei der anstehenden Neufestsetzung der Pflichtbeiträge für die Jahre 1998 bis 2000 der US- Anteil am regulären Haushalt von 25 auf 20 Prozent sowie am Peacekeeping-Budget von 31 auf 25 Prozent reduziert wird. Außerdem soll das gesamte Finanzwesen der UNO künftig der Kontrolle des Haushaltsbüros im US-Kongreß unterstehen; Peacekeeping-Maßnahmen darf die UNO künftig nur nach Genehmigung des US-Kongresses durchführen; UNO-Konferenzen sollen nur noch an den UNO-Sitzen New York, Genf, Wien und Nairobi stattfinden. Clinton und Außenministerin Madeleine Albright hatten erklärt, daß der US-Kongreß bei einer Ablehnung dieser Bedingungen „einen neuen Vorschlag mit zusätzlichen Bedingungen und weniger Geld“ auf den Tisch legen werde.

Die Verstimmung in der Generalversammlung über Washingtons „Erpressungsstrategie“ droht auch die Debatte über andere Reformthemen zu beeinträchtigen. Mit dem Vorschlag der Clinton- Regierung, den UNO-Sicherheitsrat um fünf ständige Mitglieder – Deutschland, Japan sowie je ein Land aus Asien, Afrika und Lateinamerika – zu erweitern, will sich eine Mehrheit erst befassen, nachdem die USA zumindest einen Großteil ihrer Altschulden beglichen und von politischen Vorbedingungen Abstand genommen haben. Andreas Zumach