Die Krankheit, die aus dem Käse kommen kann

■ Bakterien und Dioxin belasten französische Milchprodukte. Rückrufaktion läuft

Paris (taz) – Der „Livarot“, der „Pont-l'évêque“ und der „Pavé d'Auge“ hatten es in sich. Die normannischen Weichkäse aus Kuhmilch enthielten die Bakterie Listeria, die bei Menschen schwere Erkrankungen auslösen kann. Nachdem Ende August in Frankreich mehrere Fälle von Listeriose aufgetaucht waren, die bei einer Schwangeren zu einer Fehlgeburt führten, fahndeten die Sanitätsbehörden fieberhaft nach der Quelle. Ende vergangener Woche wurden sie in der kleinen Käserei „Quesnay“ im Calvados fündig. Das Unternehmen wurde geschlossen, sein Käse zurückgerufen.

Die Listeria ist kein reines Käse- Phänomen. Sie kann sich überall da in Lebensmitteln einnisten, wo nicht für hygienische Lagerung gesorgt und die Kühlung mangelhaft ist. 1992 hatte sich die Bakterie in gelierten Schweinszungen eingenistet, 1993 in Pastete. Sobald der Ursprung der Listeria lokalisiert und beseitigt ist, läßt sich die Ausbreitung der Krankheit stoppen.

Bei den französischen Käseproduzenten hinterläßt die Rückrufaktion dennoch einen bitteren Nachgeschmack – es war bereits die zweite Negativmeldung über Käse binnen weniger Tage. Anfang vergangener Woche war eine Studie des Landwirtschaftsministeriums bekanntgeworden, wonach die Dioxinbelastung zahlreicher französischer Milchprodukte alarmierend hoch ist. Bei Proben von Milch, Butter, Joghurt, Käse und Desserts, die Experten im vergangenen Jahr in ganz Frankreich genommen haben, lag vielerorts der Dioxingehalt nah an den von Europarat und französischem Gesundheitsministerium fixierten Grenzwerten. Zwar überstieg er nirgends die fünf Picogramm (Milliardstel eines Milligramms), bei denen die Produkte sofort vom Markt gezogen werden müssen. Aber die in den Käse-Departements stellenweise gefundenen Dioxinbelastungen von 1,49 bis 3,21 Picogramm reichen bei regelmäßigem Konsum zur Gesundheitsschädigung aus.

Dioxin kann beim Menschen Krebs auslösen und schwächt das Immunsystem. In die Kuhmilch gelangt es über die Abgase von Müllverbrennungsanlagen, PVC- und Papierfabriken. Und genau da liegt, wie der Müllspezialist Emmanuel Neurohr von dem unabhängigen Umweltzentrum Cniid erklärt, das große Problem. Denn während zahlreiche andere Industrieländer veraltete Müllverbrennungsanlagen ausgeschaltet haben, laufen in Frankreich die alten Anlagen weiter, gibt es keine Emissionsgrenzen und verfügt das Land über das größte Müllverbrennungsanlagenprogramm der Erde.

Aus dem französischen Landwirtschaftsministerium verlautet, Dioxin finde sich überall, „auch in Deutschland“. Den 777 verbliebenen französischen Käseproduzenten hilft das nicht weiter. „Wir müssen uns große Sorgen um unsere Umwelt machen“, sagt Jean Garsuault, Direktor des Internationalen Käseinstitutes in Paris, in dem sich 40 Käseproduzenten zusammengeschlossen haben. Was das Problem der bakteriellen Verseuchung betrifft, ist er zuversichtlich. „In den vergangenen Jahren haben wir das vielleicht weltbeste Qualitäts- und Gesundheitskontrollsystem bei der Käseherstellung eingeführt.“ Dorothea Hahn