Schröders Schmerzgrenze

■ Das Kandidatenrennen der SPD ist wieder offen

Nachdem der Schlachtenlärm des Wahlkampfs verklungen ist, kann man einen nüchternen Blick auf das Hamburger Ergebnis werfen. So erscheint das Ergebnis der Rechtsradikalen in weniger grellem Licht. Die DVU ist nicht in der Bürgerschaft – und die Rechten haben insgesamt sogar Stimmen eingebüßt. Die Reps verloren, was die noch extremistischere DVU gewann. Freys Altvorderen ist noch weniger als den Reps zuzutrauen, daß sie das strukturelle Problem der deutschen Rechtsextremen lösen: nämlich, wie Haider, das ressentimentgeladene Programm zu modernisieren. So fliegen den Rechtsextremen schlimmstenfalls Protestwähler zu, die sie nicht an sich binden können.

Auch die Niederlage der SPD erscheint auf den zweiten Blick weniger dramatisch. Die SPD verliert seit 15 Jahren in den Großstädten. Gerade dort fällt es ihr immer schwerer, eine Sprache für die verschiedenen auseinanderdriftenden Milieus zu finden. Insofern liegt das Hamburger Ergebnis im Trend.

Gleichwohl ist Hamburg – vor allem wegen Voscheraus Rücktritt – für die Bundes-SPD ein Zeichen. Denn für das populistische Erfolgsmodell Schröder– Voscherau, das auf Innere Sicherheit plus Wachstum plus Kokettieren mit den Vorbehalten gegen den Euro setzt, bedeutet Hamburg einen Dämpfer. Die SPD muß dieses Modell, das von vielen Meinungsmedien, von Woche, Stern und Spiegel, fast kritiklos bewundert wurde, ändern. Denn die Hamburger Botschaft an die SPD-Wahlstrategen ist nicht schwierig zu entziffern: Rechte Themen, zumal wenn sie ad hoc in den Wahlkampf gepuscht werden, schaden der SPD.

Für Schröder muß diese Erkenntnis ebenso wie Voscheraus Rücktritt ein Alarmsignal sein. Denn Schröder wird seit seinen „Kriminelle Ausländer raus, aber schnell“-Parolen in der Öffentlichkeit mit dieser Strategie identifiziert. Auch wenn Schröder dieses Thema stillschweigend begraben sollte – er wird es kaum wieder loswerden. Dafür wird schon die niedersächsische CDU sorgen. Voscheraus Schmerzgrenze war mit vier Prozent erreicht – Schröder hat vollmundig angekündigt, bei zwei Prozent Verlust im März wäre seine Kanzlerambition passé. Auch das ist eine Folge aus Hamburg: Das Kandidatenrennen in der SPD ist offener, als es bisher schien. Stefan Reinecke