Schlick-Erholung

Wie aus Müll eine „modellierte Erholungslandschaft mit wahrnehmbaren Blütenaspekten“wird  ■ Von Achim Fischer

Was ist das: Es sieht aus wie dunkler Sand, ist ziemlich giftig und kommt auf eine Deponie? Hafenschlick? Naja, eigentlich schon, aber wie heißt das Zeug, wenn es auf die Deponie kommt? Abfall? Falsch. Müll? Falsch. Kontaminierte Stromsedimentpartikel? Schon besser, aber immer noch nicht ganz richtig. „Wirtschaftsgut“heißt der Elbschlick im Jargon der Damen und Herren Senatoren.

Nächste Frage also: Wie heißt es, wenn wir den Dreck, äh, den Wertstoff zu einem 38 Meter hohen Hügel aufschütten? Müllhaufen? Giftberg? Vertikal geschichtetes Wertgut? Fast. „Modellierte Erholungslandschaft“lautet die richtige Antwort. Warum nicht einfach Mülldeponie? Ganz einfach: Eine Mülldeponie müßte die Stadt nach einem umfangreichen Planfeststellungsverfahren genehmigen, samt Umweltverträglichkeitsprüfung und Anhörung der Umweltverbände. Das Verfahren würde voraussichtlich Jahre dauern, mit ungewissem Erfolg und eventuell hohen Umweltauflagen.

Eine „modellierte Erholungslandschaft“aber, errichtet aus Wertstoffen, ist ein Bauwerk. Und dafür reicht ein einfacher Bebauungsplan, ein verwaltungstechnischer Routineakt. Die Bezirksversammlung braucht nur noch mehrheitlich die Hände heben – und schon kann der Schlickhügel Feldhofe zur Modellandschaft ausgebaut werden.

Das Fundament des Bauwerkes ist schon gelegt. Seit Jahren lagert die Stadt dort Hafenschlick ab, hoch belastet mit allem, was die Elbe so zu bieten hat, mit Schwermetallen zum Beispiel und Salzen. Der Schmodder, so hatte der Senat zuvor beschlossen, ist „Wirt-schaftsgut“, das, ebenfalls auf Senatsbeschluß, nach den allgemein anerkannten Regeln der Deponietechnik abgekippt werden kann.

Gut dreizehn Meter hoch schichtet sich das Wirtschaftsgut in der Deponie bereits, bei 14 Metern läuft die Genehmigung aus – voraussichtlich schon Ende des Jahres. Die Stadt aber braucht Platz für den Schlick. Denn auch der zweite Hügel in Francop reicht nur noch für ein paar Jahre. Deshalb soll die Halde in Feldhofe ausgeweitet werden. Wie gesagt, zur 38 Meter hohen Erholungslandschaft.

Ein Gutachten im Auftrag der Stadt verspricht Spazierwege, „großflächige Anpflanzungen mit standortgerechten Laubgehölzen insbesondere in den nordöstlichen Sektoren des Hügels“und sogar „kräuterreiche Wiesen mit wahrnehmbaren Blütenaspekten“. Eine „weithin sichtbare Landmarke“im flachen Norden.

Nur der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) mag sich, Kräuter hin, Blütenaspekte her, partout nicht über das Häufchen freuen. Die Umweltschützer pochen darauf, die Ausweitung der Halde per Planfeststellungsverfahren zu überprüfen und nicht per Bebauungsplan abzusegnen. Der Schlick ist nach Ansicht des Nabu eindeutig Abfall und kein Wirtschaftsgut. Vergangene Woche zog der Verband deshalb vor das Verwaltungsgericht Hamburg. Jetzt muß dieses entscheiden, ob Schlickhügel Müll sind oder zur „modellierten Erholungslandschaft“taugen.