■ Neuer Verein will geistig behinderten Eltern helfen
: „Wir werden immer mehr“

Das Thema, eigentlich zusammen mit der Diskussion des deutschen Faschismus längst ad acta gelegt, ist plötzlich wieder in den Medien: Nach Zeitungsberichten über 60.000 Zwangssterilisationen an geistig Behinderten in Schweden bis zum Jahr 1971 stellt man auch andernorts einigermaßen überrascht fest, daß die nationalsozialistischen Massenmorde und eugenischen Zwangssterilisationen die Eugenikforschung und -praxis keinesfalls beendet haben. Diese politisch-moralische Diskussion vergißt allerdings, daß, wo geistig Behinderte zu Eltern werden, eine ganze Reihe von ernsten Problemen auftreten können, auf die die einschlägigen sozialpädagogischen Hilfsstellen nicht vorbereitet sind. In Bremen hat sich soeben ein Verein gegründet mit dem ausdrücklichen Ziel, solchen Familien mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

Der gemeinnützige Verein für begleitete Elternschaft. Elternhilfe e.V. kann seine Arbeit auf eine wissenschaftliche Basis stellen: Zwischen 1993 und 1995 führte die Bremer Behindertenpädagogin Ursula Pixa-Kettner ein Forschungsprojekt zur Situation geistig behinderter Eltern durch. Ein Ergebnis: In Bremen leben über 20 Familien, in denen ein oder beide Elternteile geistig behindert sind, und etwa zehn Familien, deren Kinder „fremduntergebracht“sind. Die existierenden Familienhilfen etwa der Hans-Wendt-Stiftung oder der Caritas scheinen bei Fragen um Sexualität und Kinderwunsch bei Behinderten überfordert zu sein.

Aus dem Forschungsprojekt wurde eine kleine ehrenamtliche Initiative der Professorin und ihrer Mitarbeiterin Stefanie Bargfrede. Sie organisierten Elterngesprächskreise, berieten behinderte Paare, die ein Kind haben wollten, aber auch bereits Sterilisierte, die alles über Adoption wissen wollten. Unter Betroffenen sprach sich schnell herum, daß es nett zuging während der Treffen in einer Tagesstätte, bei Kaffee und Kuchen. Stefanie Bargfrede stellte fest, daß junge Behinderte zusehens selbstbewußter ihre Wünsche formulieren: „Die fragen uns nicht etwa, ob sie Kinder haben dürfen.“Sondern möchten über Ängste reden oder hören, was es bedeutet, ein Kind zu haben.

Der Verein mußte jetzt gegründet werden, um die Initiative auf eine organisatorisch (und finanziell) verläßlichere Basis zu stellen. Ein eigener Raum muß her sowie Geld für Büromaterial und Honorar. Der Verein will Hilfe und Beratung nicht nur ausdrücklich geistig Behinderten, sondern allgemein „Eltern mit besonderem Hilfsbedarf“anbieten. Daß es zu wenig Arbeit geben könnte, befürchtet Bargfrede nicht: „Behinderte mit Kinderwunsch werden immer mehr.“ BuS

Info: Tel. 04230/1060 oder 0421/4992101; Spendenkonto 921831 bei Sparda Hannover (25090500)