Buchhandlung mit Garnierung

Bücher bleiben die Hauptsache: Mit traditionellem Konzept eröffnet Hugendubel am Tauentzien. Zweite Runde im Kampf um den Buchmarkt  ■ Von Hannes Koch

In der Buchhandlung Hugendubel darf man Texte aus Büchern abschreiben. Ein Dutzend kleiner Arbeitstische mit Leselampe stehen zu diesem Zweck in der gestern eröffneten Niederlassung am Tauentzien. „Die Leute sollen sich mit den Büchern beschäftigten“, sagte der 39jährige Filialleiter Sebastian Blenninger, „dann stimmt auch die Kasse.“

Hugendubel, nach Hertie-Karstadt zweitgrößter Buchhändler der Bundesrepublik und bisher an der Spree nicht vertreten, ist keine öffentliche Bibliothek. Das Unternehmen gibt sich vielmehr Mühe, Atmosphäre zu schaffen und den Akt des Kaufens wenigstens zeitweise vergessen zu machen. So suchen die KonsumentInnen in den beiden oberen von insgesamt vier Geschossen die Kassen vergebens. Diese finden sich weiter unten.

Mit blauem Kunstleder bezogene „Leseinseln“ laden zum Durchblättern der Bücher ein. Vollgestopft wirkt der Laden nicht: Zwar sind von 700.000 lieferbaren deutschsprachigen Büchern nach Angaben von Blenninger immerhin 130.000 vorrätig, doch die sind gut verteilt. Hugendubel verdrängte ein neben der alten Buchhandlung Herder ansässiges Fast- food-Restaurant und hat auf 4.500 Quadratmeter ausgebaut.

Den Sprung nach Berlin wagt das Unternehmen – bundesweit verfügt es nun über 14 Filialen – mit einem recht traditionellen Konzept. Nur zehn Prozent des Umsatzes entfallen bislang auf andere Medien als Bücher. Das wird sich am Tauentzien auf absehbare Zeit kaum ändern. Zwar wurde das Angebot um CDs, Videokassetten und Hörspiele erweitert, doch kann man mit Spezialgeschäften bei weitem nicht mithalten. Bloße Garnierung sind auch Artikel wie T-Shirts und Globen, die zwischen den Landkarten und Reisebüchern herumstehen.

„Der Begriff des ,Medienkaufhauses‘ ist mir zu schwammig“, sagte der gestern vom Stammsitz aus München angereiste Firmenchef Heinrich Hugendubel. Was die französische Kette FNAC vormacht, und außerdem in den angelsächsischen Ländern um sich greift, könne man nicht auf die deutschen Verhältnisse übertragen. Bücher durch ein gleichwertiges Angebot von CDs, Videofilmen oder gar Computern und Unterhaltungselektronik zu ergänzen, sei kein notwendiges Überlebenskonzept hierzulande, assistierte Filialleiter Blenninger. Aus einem einfachen Grund: Wegen des gigantischen Angebots von 700.000 lieferbaren Büchern in der Bundesrepublik könne man davon ganz gut leben. In Frankreich seien demgegenüber nur gut 100.000 Titel auf dem Markt, weshalb die Buchgeschäfte in andere Marktsegmente ausgreifen müßten, um Wachstum zu erreichen.

Die Ankunft Hugendubels markiert die zweite Runde im Konkurrenzkampf um den hiesigen Büchermarkt nach der Wende. Nachdem Virgin Megastore, FNAC und Bouvier vor geraumer Zeit nicht zuletzt an zu hohen Mieten nach der Vereinigung scheiterten, muß sich der Münchner Zuwanderer jetzt mit zwei Wettbewerbern auseinandersetzen. Berlins lokale Buchgröße Kiepert probiert zusammen mit dem Elektronikhandel Wegert am Ku'damm die Verquickung von Computer-Hardware und Computerliteratur. Und der Dienstleistungskonzern Dussmann eröffnet in der Friedrichstraße bald sein „Medienkaufhaus“, das neben einem erschöpfenden Buchangebot auch Saturn- ähnliche Musiksortimente führen soll. Während Dussmann Wert auf Köder wie Lesungen und Konzerte legt, bleibt diese Art des Marketings bei Hugendubel einstweilen außen vor.

Trotzdem hofft Heinrich Hugendubel auf „20 bis 25 Millionen Mark Umsatz“ (ungefähr zehn Prozent des Firmenumsatzes von 1996) jährlich am Tauentzien, was der früheren Herder-Leistung am selben Ort entsprechen würde. „Das braucht aber Zeit“, weiß der Chef. Nichtdestoweniger plant er schon jetzt zwei weitere Filialen in der Friedrichstraße und am Potsdamer Platz.